Richtig digitalisieren – neue Vorteile schaffen, alte Stärken nicht verlieren

Autor: Jörg Wiesner

Die fortschreitende Digitalisierung bietet nicht nur Vorteile, sie bringt auch ihre ganz eigenen Gefahren mit sich. Denn eine umfassende Digitalisierung betrifft sowohl die Ablauf- als auch Aufbauorganisation eines Unternehmens – und damit die betroffenen Menschen ganz persönlich. Wenn über Jahre etablierte Arbeitsweisen digitalisiert werden, gilt es nicht nur auf die versprochenen Verbesserungen und die neuen Technologien zu schauen. Man muss auch tunlichst darauf achten, dass die heutigen Stärken nicht verloren gehen.

Durch Digitalisierung verspricht man sich ganz allgemein zunächst eine Reduktion des manuellen Arbeitsaufwands. Durch das Aufstellen durchgängig digitaler Prozesse soll die Skalierung des Geschäftsvolumens nicht mit Personal, sondern durch die IT-Systeme geschultert werden. Dabei geht es nicht um den Abbau von Stellen, sondern darum, dass das eigene Wachstum nicht zu proportional immer mehr Mitarbeitern führt.

Die Digitalisierung mit der zugehörigen Automatisierung von Prozessen resultiert oft in starren Systemen, die gut für die Bearbeitung immer gleicher Dinge geeignet sind. Abweichungen von den definierten Anforderungen und Regeln führen zu notwendigen Anpassungen. Solange Arbeitsabläufe nicht durchgängig digitalisiert sind, können Menschen in den Zwischenschritten auf diese Ausnahmefälle und geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Der Mensch übernimmt die Aufgabe bestimmte Teilprozesse zu bearbeiten. Dies können entweder Arbeitsschritte innerhalb eines Systems sein oder auch das Zusammenbringen von Informationen aus verschiedenen Teilen der Systemlandschaft.

Wenn Prozesse und damit verbunden aber ganze Geschäftsmodelle digitalisiert sind, entfällt die Möglichkeit, an mehr oder weniger beliebigen Stellen den Menschen in Form eines normalen Anwenders als universellen Problemlöser einzusetzen.

Vor diesem Hintergrund gilt es genau zu prüfen, welche Arbeitsabläufe und Interaktionen mit den eigenen Kunden digitalisiert werden können und sollten. Digitalisierung um jeden Preis ist nicht das Ziel – es muss zunächst ein gutes Kosten-/Nutzen-Verhältnis bestehen. Ebenso darf eine zuvor bestehende Flexibilität nicht verloren gehen, wenn diese für den jeweiligen Prozess und dessen Ausnahmen aber benötigt wird.

»Die Lücke zwischen Vorreitern und Nachzüglern wird größer. Wer zurückliegt, muss aufpassen, nicht immer weiter zurückzufallen.«

Michael Grebe, BCG München
zu einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung BCG
zum digitalen Wandel in Asien, Europa und Nordamerika

Um die Digitalisierung konkret umzusetzen, braucht man neben diesen eher allgemeinen Überlegungen ebenso konkrete Software-Lösungen und ggf. Dienstleister. An beide Teile sind entsprechende Erwartungen und Anforderungen zu stellen, damit die Digitalisierung zum Erfolg wird und nicht die zuvor beschriebenen negativen Effekte eintreten. Soll die gewohnte Flexibilität trotz Automati sierung nicht verloren gehen, ist es zwingend notwendig, dass die eingesetzten Systeme schnell an sich ändernde Bedingungen oder zuvor nicht bedachte Konstellationen angepasst werden können. Ein agiles Vorgehen in der Entwicklung muss dabei sowohl durch die eingesetzte Plattform als auch den Dienstleister unterstützt werden. Zudem sollte sich die Plattform in bestehende Systemlandschaften derart integrieren lassen, dass auf die bereits etablierten Systeme aufgesetzt und deren Business-Logik genutzt werden kann. Es muss also Konnektoren zu bereits bestehenden Systemen geben oder diese müssen implementiert werden können.

Die Einführung einer Plattform zur Realisierung digitalisierter Arbeitsabläufe sollte mit einem darauf spezialisierten Anbieter erfolgen. Im optimalen Fall kennt der Dienstleister die Anwendungsdomäne und spricht somit auch die Sprache des Kunden. Außerdem ist von Vorteil, wenn der Dienstleister für den Anwendungsbereich bereits Best-Practice-Lösungen anbieten kann, die aber an die besonderen Bedürfnisse im jeweiligen Einsatz angepasst oder wenn nötig sogar komplett individuell ausgestaltet werden können.

Um nicht vollständig abhängig zu sein, sollte die eingeführte Software-Lösung nicht nur durch den Dienstleister selbst, sondern auch durch speziell ausgebildetes eigenes Personal eingesetzt werden können. Im besten Fall gibt es sogar eine ganze Auswahl an Dienstleistern, die Umsetzungen auf Basis der eingeführten Plattform realisieren oder Schulungen hierzu anbieten können. Die Abhängigkeit von einzelnen Personen und Dienstleistern wird auf diese Weise so weit wie möglich reduziert.

Neben diesen Erwartungen und Anforderungen an die eingesetzte Software und zugehörige Dienstleister ist die eigene Einstellung zur Umsetzung der eigenen Digitalisierung mindestens ebenso wichtig. Diese darf nicht als einmaliges Projekt zur Einführung einer speziellen Software verstanden werden. Vielmehr sollte sie als fortlaufender Prozess gesehen werden, um sowohl die Digitalisierung in der Breite in die verschiedensten Bereiche eines Unternehmens zu bringen als auch um sich regelmäßig an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen. Mit der zugehörigen Einstellung, den passenden Werkzeugen und Dienstleistern mit dem notwendigen Fachwissen gelingt dann Schritt für Schritt die eigene digitale Transformation.

FAZIT
Mit zunehmender Digitalisierung werden in den Unternehmen immer mehr Arbeits- und Ablaufprozesse automatisiert und von Software gesteuert. Gleichwohl muss es jederzeit möglich sein, bisheriges morgen auch anders zumachen. Hierzu ist es notwendig, dass die eingesetzten Systeme schnell und problemlos an sich ändernde Bedingungen oder zuvor nicht bedachte Konstellationen angepasst werden können. Dafür braucht es die richtigen Systeme, eine integrierte Plattform und spezialisierte Dienstleister.