Rechtliche Fallstricke in der Telekommunikationsbranche

Alexander Kaczmarek

Abrechnungsgenauigkeit, Rufnummernanonymisierung, Fürsorgepflicht, Inkassoverbot. Anbieter von Telekommunikationsleistungen müssen im Vergleich zu anderen Branchen eine deutlich größere Menge an gesetzlichen Vorgaben einhalten und so manches Gerichtsurteil berücksichtigen, um „richtig“ abzurechnen. Werden die Anforderungen nicht erfüllt, bleiben die Anbieter entweder auf Ihren Kosten sitzen oder es drohen empfindliche Strafen u. a. durch die Bundesnetzagentur.

Bestens bekannt sein sollte, dass sich jeder Anbieter von Telekommunikationsleistungen für Endkunden/Verbraucher gemäß TKG §45g einem jährlichen Gutachten unterziehen muss, um die Genauigkeit der Abrechnung zu überprüfen. Hiervon betroffen ist somit praktisch jeder TK-Anbieter, der die Rechnung gegenüber dem Kunden ausstellt. Diese Gutachten werden durch entsprechende Sachverständige erstellt und das Prüfungsergebnis der Bundesnetzagentur mitgeteilt. Doch dieses jährliche Gutachten ist keine Bestätigung dafür, dass alle Anforderungen rund um den Abrechnungsprozess eingehalten werden. Denn hierzu zählt mehr als nur die Einhaltung der Abrechnungsgenauigkeit.

Fürsorgepflicht steht an erster Stelle

Noch bevor es überhaupt zur Rechnungsstellung kommt, muss ein Telekommunikationsanbieter schon die erste Aufgabe meistern: die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber den eigenen Kunden. In einem Urteil des Landgerichts Bonn aus dem Jahr 2010 wurde entschieden, dass ein TK-Anbieter die eigenen Kunden auf ungewöhnlich hohe Rechnungen aktiv hinweisen muss. Darüber hinaus sollte der Anbieter sogar eigenständig aktiv werden, um beispielsweise die Ursache für die unerwartet hohen Kosten zu identifizieren und möglichst zu beseitigen. Auch wenn es im genannten Fall um einen falsch konfigurierten DSL-Router ging, ist die Fürsorgepflicht der TK-Anbieter weiter zu fassen. Ein Beispiel hierfür ist der klassische Fraud-Fall: über das Wochenende gekaperte Telefonanlagen von Business-Kunden. Werden über Schwachstellen der eingesetzten Telefonanlagen oder deren unvollständige Sicherheitskonfiguration durch kriminelle Angreifer automatische Weiterleitungen ins Ausland geschaltet, so können in kürzester Zeit sehr große Schäden entstehen. Tatsächlich greift in diesem Fall die Fürsorgepflicht des Anbieters, der dieses ungewöhnliche Telefonieverhalten erkennen und unterbinden muss, etwa durch Sperrung des Anschlusses. Tut er dies nicht, so haftet er zumindest anteilig für den entstandenen Schaden.

Um diese Haftung auszuschließen, sollten Anbieter automatisierte Fraud-Detection-Analysen und -Warnungen implementieren, da auch die eigenen Mitarbeiter nicht stündlich einen Blick auf die Systeme werfen, insbesondere nicht zu den beliebtesten Angriffszeiten an Wochenenden.

Inkassoverbot: Zielnummer muss auf die Blacklist

Wenig bekannt ist auch die Tatsache, dass die Bundesnetzagentur in begründeten Fällen Rechnungslegungs- und Inkassoverbote für bestimme (Service-)Rufnummern verhängen kann. Sobald ein entsprechendes Verbot ausgesprochen wurde, darf sowohl der Anbieter der Servicerufnummer als auch eintreibende Unternehmen zugehörige Verbindungen nicht länger in Rechnung stellen. Aktuelle Beispiele von Inkassoverboten betreffen die Einführung kostenloser Warteschleifen. So wurden im September durch die Bundesnetzagentur gleich mehrere Service-Nummern mit einem Inkassoverbot belegt, die sich nicht an die Vorgaben zur kostenlosen Warteschleife gehalten hatten.

Heise Newsticker Meldung

Um das Inkasso-Verbot durch die Bundesnetzagentur umzusetzen und einzuhalten, muss seitens des Anbieters zunächst ein entsprechender Prozess etabliert werden. Hierzu zählt als erstes, dass neue Verbote überhaupt erkannt werden. Die vom Verbot betroffenen Zielrufnummern müssen in eine Blacklist aufgenommen werden, um die weitere Abrechnung zu verhindern. Zusätzlich muss für die aktuelle Rechnungsperiode geprüft werden, ob bereits verarbeitete Gesprächsdaten mit den nun blockierten Rufnummern vorliegen. Diese sind mit Bezug auf den Beginn des Inkassoverbots ggf. rückwirkend aus der Abrechnung der laufenden Periode zu entfernen.

Schutz durch Anonymisierung

Eine weitere zentral über die Bundesnetzagentur geregelte gesetzliche Vorgabe betrifft bestimmte schützenswerte bzw. zu anonymisierende Rufnummern. Im §99 Absatz 2 des TKG ist die Verschlüsselung bestimmter Rufnummern in den Einzelverbindungsnachweisen entsprechend festgelegt. Diese Rufnummern gehören zu Personen, Behörden oder Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten und somit besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliegen. Die Bundesnetzagentur pflegt eine Liste dieser Nummern und stellt sie den Telekommunikationsanbietern zum Abruf im automatisierten Verfahren zur Verfügung.

Die vollständige Rufnummer ist zwar für die korrekte Abrechnung notwendig. Gleichwohl müssen diese Nummern in allen Einzelnachweisen anonymisiert, das heißt unkenntlich gemacht werden. Hierfür müssen entsprechende Prozesse und ggf. sogar Automatismen im Billing-System implementiert bzw. genutzt werden, um die Rufnummernlisten zu hinterlegen und die Einzelverbindungsnachweise zu verfremden.

FAZIT:

Neben den genannten Anforderungen existiert eine Vielzahl weiterer, die den Weg zur richtigen und belastbaren Abrechnung komplex gestalten. Unabdingbar ist, dass man sich als Anbieter von Telekommunikationsleistungen mit diesen Vorgaben auseinander setzt, um im eigenen Unternehmen die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, erforderliche Prozesse zu etablieren und die vorhandene Billing-Lösung korrekt einzusetzen. Der Anbieter des Billing-Systems sollte darüber hinaus eingebunden werden, da er erfahrungsgemäß über entsprechende Kenntnisse und Best-Practise-Ansätze verfügt.

Weitere Links zu diesem Beitrag:

Fürsorgepflicht: Telekom muss Kunden auf Mega-Rechnungen hinweisen

Ungerechtfertigte Rechnung eines Mobilfunkbetreibers wegen Datentarif – Landgericht Arnsberg, Urteil vom 12.04.2011, Az.: 3 S 155/10

Hinweispflicht eines Telefonanbieters auf ungewöhnlich hohe Rechnungen – LG Bonn, Urteil vom 1. Juni 2010, Az.: 7 O 470/09