Multiplikationsfaktor Reselling – Der zielgerichtete Aufbau eines eigenen Wholesale-Angebots

Autor: Jörg Wiesner

Anbieter von Telco-Diensten wie z. B. NGN-Voice müssen in die jeweilige Infrastruktur teils kräftig investieren. Damit sich die Aufwendungen lohnen und möglichst kurzfristig amortisieren, muss die aufgebaute Plattform bestmöglich ausgelastet werden. Eine interessante Möglichkeit hierfür ist Wholesale-Reselling. Dafür müssen aber die Voraussetzungen stimmen und potenzielle Reseller das Angebot auch akzeptieren.

Aktuell starten die ersten NGN-Voice-Carrier im deutschen Markt inklusive NGN-Interconnect-Anbindung zur Telekom Deutschland. Der Aufbau der NGN-Plattform ist jedoch zeitaufwändig und kostenintensiv. Gleichwohl sind diese Investitionen für viele Betreiber oft notwendig, um die eigene Wertschöpfungskette aufrecht zu erhalten bzw. auszuweiten, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Durch die eigene Kundschaft den Return-On-Investment zu erzielen, rechnet sich nur über sehr lange Zeiträume. Daher wird nach Möglichkeiten gesucht, die aufgebaute Infrastruktur besser auszulasten. Eine dieser Möglichkeiten ist die Etablierung eines eigenen Wholesale-Angebots. Das heißt, Reseller nutzen z. B. Voice-Vorleistungen, um eigene Produkte aufzustellen und selbstständig zu vermarkten. Der NGN-Carrier beschränkt sich in dieser Konstellation auf den technischen Betrieb der Plattform.

Ist die Entscheidung für ein eigenes Wholesale-Angebot gefallen, muss zunächst definiert werden, welche Leistungsbestandteile dieses Angebot umfassen soll. Denn der eigentliche Dienst ist im gegebenen Kontext nur ein Teil der Leistung. Ein potenzieller Reseller muss im Stande sein, das Angebot an Diensten für bestimmte Endkunden „bestellen“ bzw. verwalten zu können (Order Management). Weiterhin muss der Reseller gegenüber dem Endkunden die erbrachte Leistung auch in Rechnung stellen können. Nicht zuletzt steht der Wholesale-Anbieter vor der Herausforderung, eigene Lieferantenrechnungen gegenüber seinen Resellern stellen zu können.

In welcher Form das Order-Management realisiert wird, hängt vor allem von den Voraussetzungen der Reseller ab. Hier stehen zwei sehr unterschiedliche Ansätze zur Wahl: die Bereitstellung einer Web-Applikation oder einer Order-Management-Schnittstelle.

Im ersten Fall verwaltet der Reseller Kunden und Accounts über ein web-basiertes Frontend. Gegenüber dem Reseller werden bei dieser Variante praktisch keine Voraussetzungen bezogen auf dessen Systeme oder Systemintegration gestellt. Verwaltet der Reseller die eigenen Kunden allerdings bereits in einem separaten System, wird der Reseller unweigerlich gezwungen, die relevanten Kundendaten doppelt zu pflegen. Somit erhöhen sich unabdingbar der Verwaltungsaufwand und gleichzeitig das Fehlerpotenzial.

Kommt hingegen eine Order-Schnittstelle zum Einsatz, muss diese alle relevanten Geschäftsfälle abdecken. Der Reseller ist gezwungen, eine Integration in die eigene Systemlandschaft vorzunehmen. Nach erfolgter Integration entfällt jede Art von doppelter Datenhaltung, Eingabefehler werden vermieden und die Basis für ein automatisiertes Massengeschäft ist gelegt.

Im Kontext der Endkundenabrechnung gibt es vergleichbare Lösungsansätze: Bereitstellung einer Reseller-Billing-Lösung oder alternativ die Lieferung reiner Verbrauchsdaten (z. B. CDRs).

Besitzt der Reseller keine eigene Lösung zur Erstellung der Endkundenrechnung, kann ihm der Wholesale-Anbieter diese Leistung eventuell zusätzlich offerieren. Dann wird nicht nur ein Web-Frontend für Aktivierungen zur Verfügung gestellt, sondern im besten Fall ein Whitelabel-System inklusive Kundenverwaltung bis hin zur Fakturierung. Gegebenenfalls kann der Wholesale-Anbieter zudem noch weitere Dienstleistungen anbieten, beispielsweise Lettershop-Tätigkeiten wie Druck, Kuvertierung oder Postversand. In diesem Szenario wird nicht nur die Dienst-Infrastruktur in einem größeren Maß durch den Reseller ausgeschöpft, sondern auch die vorhandene Software und sogar die eigenen Personalressourcen.

Geeignet ist ein solcher Ansatz allerdings nur für Reseller, die ausschließlich Leistungen eines bestimmten Wholesale-Anbieters vermarkten wollen. Handelt es sich im Gegensatz dazu um einen Reseller, der bereits eigene Systeme im Einsatz und womöglich weitere Vorlieferanten angebunden hat, müssen stattdessen die abrechnungsrelevanten Daten (Verbrauchsdaten, ggf. sonstige Rechnungsevents) in einem elektronisch zu verarbeitenden Format an den Reseller übermittelt werden.

Einfach oder flexibel? Es muss eine Entscheidung getroffen werden über die Art der Bereitstellung von CDR-Daten.

Monatlich

Einfach realisiert und überschaubar komplex im laufenden Betrieb, aber mit Nachteilen für den Reseller, der mit der eigenen Faktura bis zur Bereitstellung aller Daten warten muss. Keine Fraud-Überwachung durch den Reseller möglich.

Täglich / Fortlaufend

Erhöhte Komplexität in der Bereitstellung, aber deutlich erhöhte Flexibilität für den Reseller. Tagesaktuelle Verbrauchsinformation für Endkunden ist möglich, Rechnungsläufe werden nicht verzögert, Fraud-Überwachungen können durch den Reseller realisiert werden.

Bei Einführung eines eigenen Wholesale-Angebots wird es nicht möglich sein, alle diese verschiedenen Bedürfnisse zu erfüllen und somit alle möglichen Reseller zu adressieren. Es muss daher eine Entscheidung getroffen werden, welche Reseller-Zielgruppen angesprochen werden sollen, um darauf das eigene Angebot und Dienstleistungen abzustimmen.

Reseller sind weitaus mehr als “nur“ Großkunden!

Zwar muss der Reseller als Debitor des Anbieters geführt werden, daneben ist es aber auch erforderlich die einzelnen Reseller-Endkunden bzw. deren Anschlüsse zu verwalten. Empfehlenswert ist deren Abbildung in einem eigenen dem Reseller zugeordneten Mandanten. So wird eine strikte Trennung der Kunden- und Abrechnungsdaten mit einer klaren Separierung von den Endkunden des Reselling-Anbieters erzielt.

Fazit:

Für Anbieter von Telco-Diensten bietet Wholesale-Reselling die Chance, den Nutzungsgrad der eigenen Infrastruktur zu erhöhen und gegebenenfalls selbst Skaleneffekte im Einkauf zu realisieren. Erfolgsfaktor ist dabei die Professionalität des Angebots, damit genügend Reseller gewonnen werden können. Als Konsequenz müssen die eingesetzten Systeme bis hin zu Kundenverwaltung und Billing auch Reselling unterstützen, um den manuellen Aufwand zu minimieren und Abläufe zu automatisieren. Erfolgskritisch ist die Ausrichtung des Wholesale-Angebots auf die potenziellen Reseller, das heißt, deren Bedürfnisse und Voraussetzungen müssen berücksichtigt werden. Denn nur so werden Reseller zu echten Multiplikatoren.