Mit Esprit für den Wettbewerb

Jürgen Grützner

Im Interview: Herr Jürgen Grützner, Geschäftsführer Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM)

ÜBER DEN VATM
Der VATM setzt sich seit Beginn der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes 1998 für Chancengleichheit und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer gegenüber dem Ex-Monopolisten ein. Der VATM vertritt unter dem Motto „Wettbewerb verbindet“ alle Geschäftsmodelle des TK-Marktes. Seine Mitgliedsunternehmen engagieren sich für mehr Wettbewerb – zugunsten von Innovationen, Investitionen und Beschäftigung. Sie versorgen 80 Prozent aller Festnetzkunden und nahezu alle Mobilfunkkunden außerhalb der Telekom. Seit 1998 haben die Wettbewerber rund 62 Mrd. Euro investiert.

Alexander Kaczmarek: Herr Grützner, in den letzten Wochen und Monaten häufen sich kritische und teilweise bedrohliche Schlagzeilen zu umwälzenden Veränderungen in unserer Branche. Etablierte Rahmenbedingungen stehen zur Disposition, vor allem getrieben durch Politik und Regulierung. Wofür steht vor diesem Hintergrund der VATM?

Jürgen Grützner: Wir stehen ganz klar für Wettbewerb, denn Wettbewerb hat eine doppelte Funktion auf dem Telekommunikationsmarkt und bei der Versorgung mit schnellem Breitband in Deutschland: Zum einen bauen wir alternativen Anbieter selbst die Netze, zum anderen treiben wir die Deutsche Telekom zum weiteren Rollout. Ein Technologie-Monopol wie von der Telekom in ihrem Vectoring-II-Antrag im Bereich von 500 Meter um jeden Hauptverteiler herum gefordert, würde alle Pläne der Wettbewerber einschließlich der kommunalen Betreiber für einen weiteren Ausbau zunichtemachen.

Dies darf auf keinen Fall passieren und würde unseres Erachtens in Widerspruch zu Artikel 87 f des Grundgesetzes stehen, wonach die Versorgung mit Telekommunikationsleistungen im Wettbewerb und nicht mehr in Monopol erfolgt. Der Wettbewerb hierzulande ist eine Erfolgsgeschichte. Das dürfen wir im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Der anhaltende Wettbewerb zwischen den Anbietern führt dabei zu einer kontinuierlich steigenden Produkt- und Servicequalität bei stetiger Reduktion der Endkundenpreise.

Der Breitbandausbau ist das dominierende Thema der TK-Branche. Massive Investitionen sind notwendig, um dieses gesellschaftsrelevante Großprojekt voranzubringen. Was sind aus Ihrer Sicht kritische Erfolgsfaktoren?

Um unsere Ziele beim Breitbandausbau zu erreichen, brauchen wir dringend ein klares Commitment der Politik. Regulierung und Förderung müssen diejenigen Unternehmen unterstützen, die nachhaltig in den Ausbau der schnellen Netze in Deutschland investieren. Ein klares Signal gegen neue Monopole und für langfristige Ziele über 2018 hinaus fehlen. Das führt zu Investitionsunsicherheit statt zu einer Beschleunigung des Ausbaus. Bei der Refinanzierung der Investitionen spielt auch der offene Netzzugang, Open Access, eine wichtige Rolle und damit eine hohe Verbreitung mit möglichst hohen Kundenzahlen und Traffic.

Bei der Refinanzierung der Investitionen spielt auch der offene Netzzugang, Open Access, eine wichtige Rolle und damit eine hohe Verbreitung mit möglichst hohen Kundenzahlen und Traffic.

Als einen Faktor haben Sie „Open Access“ genannt. Welche Aufgabe übernimmt hierbei S/PRI und welche Rolle spielt der VATM bei der Entwicklung dieser Order-Schnittstelle? Welche Erwartungen knüpfen Sie an S/PRI?

Die Schnittstelle betreuen wir seit Jahren. Die Telekom ist mit an Bord, aber wir werden nur erfolgreich sein, wenn der Ex-Monopolist die Schnittstelle auch selbst nutzt. Dies geschieht leider bis heute nicht. Für den Breitbandausbau ist S/PRI eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft und das nicht nur für die großen Anbieter. Auch für kleinere Unternehmen lohnt die Implementierung vor allem über Technologie-Anbieter.

Auch wir verfolgen S/PRI sehr gespannt, da die aktuelle Version 4 alles mitbringt, um sich erfolgreich bei den Netzbetreibern zu etablieren. Als Hersteller einer Branchenlösung, die auch CRM- und Order-Prozesse abdeckt, befassen wir uns daher sehr genau mit der aktuellen Entwicklung und möglichen Einsatzszenarien. Wir verspüren bereits heute eine steigende Nachfrage nach Integration von S/PRI.

Aber zurück zum VATM: Einmal jährlich erscheint das VATM-Jahrbuch, in dem sowohl Ihre Mitglieder wie auch Branchenexperten Chancen und Entwicklungen des Marktes analysieren, aber auch Position beziehen zur TK-Politik in Deutschland und Europa.

Was sind die beherrschenden Themen der bald anstehenden neuen Ausgabe bzw. generell für das Jahr 2016?

Mit Sicherheit werden der Blick auf die Zukunft und den Weg in die Gigabit-Gesellschaft bis 2030 sowie die Chancen für den Wettbewerb im Netzausbau und bei den Diensten im Fokus stehen. Dabei werden zum Beispiel auch die neuen Förderrichtlinien und ihre Wirkung analysiert werden.

Die TK-Branche wird 2016 erneut eine spannende Vielfalt von Themen aus den Bereichen Festnetz, Mobilfunk, Dienste, Politik, Regulierung und Wissenschaft bieten. So werden wir nach Brüssel schauen, wo die EU einen zweiten Anlauf zur Überarbeitung des Rechtsrahmens für den TK-Sektor unternimmt. Aber auch zum Beispiel der Stand bei den Schnittstellen WBCI und S/PRI sowie das vom VATM mit Verbundpartnern aus Hochschule und ITK-Wirtschaft unterstützte und vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt Symphony, eine innovative Marktplattform, werden dort thematisiert.

Herr Grützner, das waren spannende Erkenntnisse, vielen Dank dafür!

Persönliches:

Wie alt sind Sie?

So alt, dass ich das Telekom-Monopol noch selber erlebt habe.

In welcher Stadt leben Sie?

In der Schlossstadt Bensberg bei Köln mit einem Koffer in Berlin und Brüssel.

Wenn der Stress doch mal zu viel wird, womit lenken Sie sich in Ihrer Freizeit ab?

Am liebsten mit ausreichend Wasser unterm Kiel – beim Segeln.

Was bevorzugen Sie zum Frühstück: Marmelade oder Wurst?

Ein Fünf-Minuten-Ei und ein Croissant finde ich gut.

Wo trifft man Sie im Urlaub: Mallorca oder Schwarzwald?

Sowohl als auch. Auch hier gilt: Die Vielfalt bereichert das Leben – gerne mit Sonne, Wandern und Wasser.

Was sehen Sie sich im Fernsehen an: Tatort oder Talentshow?

Tatort und Talent-Show – wobei das mit dem Talent so eine Sache ist.

Ihr Smartphone: Apple oder Samsung?

Das wechselt bei uns. Wir stehen ja für Wettbewerb. Derzeit nutze ich ein Samsung.

Was bevorzugen Sie in Ihrer Freizeit: Theater oder Kino?

Die Mischung macht’s.

Abschließend, welches Erlebnis werden Sie nie vergessen?

Das Gesicht meiner Kinder und meiner Frau mit den Kindern abwechselnd am Ruder eines sehr schönen Segelbootes mit viel Wind vor der Skyline von Seattle.