Es wird eine intensive Offensive im Bereich Open Access geben

Wolfram Thielen CPO Deutsche GigaNetz GmbH

Im Interview: Wolfram Thielen CPO der Deutschen GigaNetz GmbH, Hamburg

WOLFRAM THIELEN

Sowohl als Unternehmer als auch in leitenden Funktionen internationaler Organisationen gestaltet der studierte Diplom-Kaufmann seit mehr als 20 Jahren Digitalisierungsprojekte in der Telekommunikationsbranche mit. Disziplinübergreifendes Fachwissen und strategische Kompetenz prägen seinen »Blick über den Tellerrand« und machen ihn zum geschätzten Ideengeber und Allrounder. Wolfram Thielen verfügt über tiefgehende Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen Business Development, BSS & OSS, Transformationsprogramme sowohl in internationalen Konzernen wie Start-ups und Greenfield Telekommunikationsunternehmen. Als Mitgründer ist Wolfram Thielen seit 2020 Geschäftsführer sowie COO und übernahm Ende 2022 die von ihm gegründete Geschäftssparte Strategische Projekte und Roll Out Management als CPO der Deutschen GigaNetz GmbH. Wolfram Thielen (Jahrgang 1971) ist verheiratet und hat drei Kinder.

Jörg Wiesner: Herr Thielen, Open Access lebt und der Markt bietet dazu Netzbetreibern und Providern interessante Möglichkeiten in verschiedensten Ausprägungen. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Wo steht denn unsere Branche generell in punkto Open-Access-Engagement und welchen Stellenwert hat das insbesondere für die Deutsche GigaNetz?

Wolfram Thielen: Die Deutsche GigaNetz spricht sich ganz klar für Open Access aus – anstelle zu überbauen. Mit einem fairen Zugang für alle Wettbewerber bedarf es immer nur eines Glasfasernetzes pro Kommune. Darum kooperieren wir bereits heute in der Vermarktung und Nutzung der Netze mit Stadtwerken und anderen Telekommunikationsunternehmen. Langfristig wird auch die Penetration auf unseren Netzen nur in Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen erreicht werden können. Dies ist die grundlegende Voraussetzung für unseren Erfolg und den Erfolg der gesamten Branche. Derzeit wird Open Access auf dem Markt von vielen Teilnehmern allerdings noch nicht in dem Maße praktiziert, wie es notwendig wäre. Sämtliche Netze sind erst im Aufbau und von der ursprünglichen Betreibermarke nicht voll angeschlossen, sodass für viele Whole Buyer noch nicht ausreichend Potenzial erkennbar ist. Darüber hinaus sind die technischen und prozessualen Anforderungen für eine erfolgreiche Interconnection von Käufern und Verkäufern im Open Access-Szenario in unserem Markt äußerst komplex und oft noch nicht vollständig skalierbar. Wir haben bereits mehrere Vereinbarungen auf Layer 2 Bitstream Access-Ebene (L2 BSA) abgeschlossen, insbesondere mit regional engagierten Telekommunikationsunternehmen (TKU). Für das Jahr 2024 und vor allem für 2025 wird es eine intensive Offensive im Bereich Open Access geben. In diesem Zusammenhang werden wir auch mit überregionalen Internet Service Providern (ISP) Vereinbarungen treffen und mit Leben füllen.

Die Deutsche GigaNetz hat bereits viele Kooperationsprojekte erfolgreich durchgeführt. Ganz aktuell ist es der Netzaufbau in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Soest. Was hat sie in diesem Fall zu der Partnerschaft bewogen?

Wir sind offen für Partnerschaften mit lokalen Stadtwerken und Unternehmen, die bereits eine Glasfaser-Infrastruktur in ihren jeweiligen Gebieten errichtet haben. Mit den Stadtwerken Soest haben sich im vergangenen Jahr sehr positive Gespräche ergeben, die in dem gemeinsamen Projekt »flächendeckender Ausbau des Glasfasernetzes in der Stadt Soest« mündeten. Dabei berücksichtigen wir sowohl die vorhandene städtische Infrastruktur als auch die langjährige Vermarktungskompetenz mit effektivem Kundenzugang, die die Stadtwerke Soest aufgebaut haben. Mit der Finanzkraft und der überregionalen Expertise in Kommunikation und Marketing von Seiten der Deutschen GigaNetz entstand ein Partnerschaftsmodell, das die Stärken beider Seiten optimal kombiniert. Dies zeigt sich in der äußerst erfolgreichen Vermarktung, die in kürzester Zeit zu Nachfragequoten von über 35 Prozent geführt hat und somit einen zügigen Baubeginn ermöglichte. Gleichzeitig führt die Kooperation mit einem lokal verankerten Unternehmen zu einem reduzierten administrativen Aufwand für die Stadt Soest und lässt eine unkompliziertere und schnellere Bebauung für die Bürgerinnen und Bürger zu. Lokales Wissen sowie die bestehende Infrastruktur können somit für das Glasfasernetz in Soest gewinnbringend für alle berücksichtigt werden. Dieses partnerschaftliche Modell ist ein absolut erfolgreiches Pilotprojekt, welches auch an anderer Stelle zum Einsatz kommt. So wurde das Konzept bspw. in erweiterter Form in der Gemeinde Bönen sowie in den Städten Ahlen, Hamm, Bergkamen und Kamen initiiert.

Könnten Sie sich vorstellen, in ähnlichen Konstellationen auch selbst als Partner zu agieren? Etwa in einer Partnerschaft mit einem anderen Bitstream-Netzbetreiber?

Ja, das ist durchaus denkbar. Wir führen bereits Gespräche über ähnliche Modelle mit ISPs und TKUs. Vor allem das reziproke Modell in Nachbarregionen; bedeutet, wenn ein Partner seine Dienstleistung in einer größeren Region über unser Netz anbieten möchte, wir auch unseren Service auf dessen regionalen Netzwerken anbieten. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein bestehendes Betreibermodell zu übernehmen, bei dem wir der ISP in einem bereits etablierten Netzwerk sind. Ebenso gibt es Modelle, in denen wir bestehende Netzwerke erweitern und dabei gerne die vorhandene Infrastruktur eines Partners nutzen, um unsere Dienste anzubieten.

Ein funktionierender und skalierbarer Open-Access-Markt umfasst individuelle Abwicklungsprozesse bzw. unterschiedliche Lösungen. Die verschiedenen Schnittstellen der beteiligten Unternehmen praxisgerecht auf die Reihe zu kriegen, ist letztendlich Sache des eingesetzten Business-Support-Systems. Welche Anforderungen muss der Markt zwingend erfüllen?

Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Industrie sich auf einheitliche Standards einigt, insbesondere hinsichtlich der Prozessabläufe. Dies gilt vor allem für die Bereitstellung von "Homes Connected" und die Regulierung des Nachverdichtungsprozesses. Darüber hinaus muss der Aufwand für eine Zusammenschaltung (L2 BSA) für beide Parteien, unabhängig von der Verfügbarkeit oder der Wahl des bestehenden Tool-Anbieters, in einem angemessenen Rahmen liegen. Die nachstehenden Grundvoraussetzungen müssen diesbezüglich gegeben sein:
1. Marktweiter Standard für die Prozessabwicklung (in Deutschland S/PRI).
2. Eindeutige Zuordnung der Wohnungen mittels einer homeID.
3. Festgelegte Standards für die Übergabeschnittstelle des Traffics (A10-NSP)

Herr Thielen, vielen Dank für die überaus interessanten Ausführungen!

ÜBER DIE DEUTSCHE GIGANETZ GMBH

Die Deutsche GigaNetz GmbH mit Hauptsitz in Hamburg betreibt deutschlandweit den vorwiegend eigenwirtschaftlichen und qualitätsorientierten Glasfasernetzausbau bis in die eigenen vier Wände (FTTH – Fiber To The Home). Mit einem klaren Fokus auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau ist es Ziel des Unternehmens, 100 Prozent Glasfaser in den Kommunen zu bauen und dabei vorhandene Infrastrukturen als auch die Förderkulisse ergänzend einzubeziehen. Durch hochwertige Verlegetechniken und konventionelle Verlegetiefen schafft die Deutsche GigaNetz ein nachhaltiges Qualitätsnetz für die nächsten Generationen, das als Open-Access-Lösung diskriminierungsfrei ist.