Die Qual der Wahl des passenden Ansatzes – Auf Einkaufstour via S/PRI und Open-Access-Plattformen

Fachartikel von Manuel Büchler IT-Consultant

Open Access lebt. Netzbetreiber öffnen die eigenen Netze für die Vermarktung durch Partner. Provider suchen Betreiber von Glasfasernetzen, um die eigenen Produkte und Dienste in größerer Fläche potenziellen Endkunden anzubieten. Anzahl und Umfang dieser Kooperationen nimmt stetig zu und wird für immer mehr Anbieter interessant und wichtig. Vor diesem Hintergrund stellt sich zunehmend die Frage, wie man als Netzbetreiber (Supplier) oder in der Rolle des Providers (Partner) die Anbindung an den jeweiligen Kooperationspartner realisiert. Möglichkeiten bietet der Markt mittlerweile in verschiedensten Ausprägungen, jeweils mit unterschiedlichen Konsequenzen für Netzbetreiber und Provider.

Die zu treffenden Entscheidungen sind richtungsweisend für das Open-Access-Engagement. Daher gilt es, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und die Auswirkungen nicht nur für den Einstieg in Open-Access zu betrachten, sondern gleichzeitig mögliche zukünftige Entwicklungen im Auge zu behalten.

»Voraussetzung für einen funktionierenden und skalierbaren Open-Access-Markt ist die Schaffung akzeptierter Abwicklungsprozesse.«

Standardisierung durch S/PRI

Voraussetzung für einen funktionierenden und skalierbaren Open-Access-Markt ist die Schaffung akzeptierter Abwicklungsprozesse. Eine Möglichkeit zur Bildung dieser Grundlage ist Standardisierung, die durch den Arbeitskreis S/PRI verfolgt wird. Die seit Jahren aktiv betriebene Entwicklung des S/PRI-Standards (Supplier / Partner Requisition Interface) hat bereits zu einem umfangreichen Regelwerk zur Abbildung von Prozessabläufen rund um Bestellungen und Entstörungen geführt, welches sich mittlerweile in breitem Einsatz befindet.

Darüber hinaus haben Dienstleister in den letzten Jahren aggregierende Open-Access-Plattformen aufgebaut, die durch entsprechende Verbreitung ebenfalls eine akzeptierte Grundlage für das Geschäft mit Open-Access-Anschlüssen bieten. Gerade der Aspekt der Aggregation von Netzen in einer Plattform ist für Vermarktungspartner ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

S/PRI definiert ein Protokoll für den Austausch von Nachrichten zwischen Netzbetreiber und Provider. Um die Zusammenschaltung der Netze müssen sich die Kooperationspartner zusätzlich kümmern. Möchte ein Provider in mehreren Netzen unterschiedlicher Betreiber vermarkten, so muss die Anbindung an jeden Netzbetreiber einzeln betrachtet werden. Der Nachrichtenaustausch ist zwar standardisiert, aber jeder weitere Netzbetreiber führt zu einem weiteren Anbindungsprojekt. Gleiches gilt analog für Netzbetreiber, die mehr als einem Partner Zugang zum Netz gewähren wollen. Damit liegt eine »jeder mit jedem«-Kommunikation vor – mit entsprechend vielen Kommunikationswegen, die einzeln einzurichten und zu unterhalten sind.

Open-Access-Plattformen

Im Vergleich hierzu bieten Open-Access-Plattformen den klaren Vorteil der zentralen Anbindung, sowohl für anbietende Netzbetreiber als auch nachfragende Provider. Netzbetreiber verbinden sich mit der Plattform und können so prinzipiell allen angebundenen Partnern die Vermarktung im eigenen Netz ermöglichen.

»Auch wenn das Open-Access-Geschäft stetig wächst, so befinden wir uns immer noch in der Anfangsphase dieses Marktes.«

Analog können Provider über die Plattform und damit über eine einzige Anbindung Anschlüsse in mehreren Netzen und Gebieten vermarkten. Je nach Plattform werden dabei nicht nur die Abwicklung von Bestellungen und Entstörungen zentralisiert, sondern ggf. auch Netze und vertragliche Beziehungen zusammengeführt, um so die Komplexität weiter zu reduzieren.

Die Art der Anbindung an eine Open-Access-Plattform kann wiederum über den S/PRI-Standard erfolgen und/oder über proprietäre Schnittstellen der jeweiligen Plattform. Letztgenannte proprietäre Schnittstellen können dabei fachliche Vorteile bieten, falls die Plattform Funktionen beinhaltet, die im S/PRI-Standard (noch) nicht abgebildet sind.

Adaption neuer Anforderungen

Auch wenn das Open-Access-Geschäft stetig wächst, so befinden wir uns immer noch in der Anfangsphase dieses Marktes. Damit kommt es laufend zur Konkretisierung von Anforderungen bzw. zur ständigen Weiterentwicklung und kontinuierlichem Ausbau der notwendigen Prozesse und des Datenaustauschs zwischen den betroffenen Parteien.

»Wer die wichtigsten Fragen schon im Vorfeld der ersten Open-Access-Anbindung betrachtet, vermeidet spätere Überraschungen.«

Ein Plattformbetreiber kann dabei in der Regel schneller auf diese Anforderungen reagieren im Vergleich zur Weiterentwicklung eines Standards wie S/PRI.

Allerdings sollte die Relevanz der Standardisierung vor diesen Vorteilen von Open-Access-Plattformen nicht unterschätzt werden. Nur im Falle eines »Plattform-Monopols« oder durch die Bildung eines Verbunds mehrerer Plattformen mit resultierender Vollabdeckung aller Netze und Provider könnte ein Standard obsolet werden, da jegliche Anbindung über den eigenen Plattformbetreiber abgedeckt werden kann. Solange dieses Szenario nicht eintritt, werden vor allem nachfragende Provider, die in mehr als einem fremden Netz vermarkten wollen, schnell mit den unterschiedlichsten Schnittstellen konfrontiert.

Ein Supplier gibt im Normalfall vor, über welche Anbindung (Schnittstelle / Plattform) Bestellungen platziert werden können. Ein Partner kann so in die Situation kommen, für verschiedene Netze jeweils unterschiedliche Schnittstellenanbindungen realisieren zu müssen.

Zwei Netze können über unterschiedliche Plattformen (mit unterschiedlichen proprietären Schnittstellen) erreichbar sein, während ein dritter Netzbetreiber eine standardisierte S/PRI als Kommunikationsmittel vorgibt. Für den Partner folgen daraus entsprechende Anbindungsprojekte und der fortlaufende Betrieb von drei unterschiedlichen Anbindungen. Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Angebote zur Realisierung von Open-Access müssen sowohl anbietende Netzbetreiber als auch nachfragende Provider schon bei der Kopplung an den ersten Kooperationspartner auf das eigene Anforderungsprofil achten. Gerade Provider müssen sich die Frage stellen, ob perspektivisch in weiteren Netzen vermarktet werden soll. Wie wichtig ist die Einheitlichkeit der Abwicklung von Bestellungen und Entstörungen? Kann das eingesetzte BSS auch bei unterschiedlichen Schnittstellenanbindungen eine einheitliche Bedienung und Prozessabwicklung gewährleisten? Wie sehen die Folgen im laufenden Betrieb aus? Wer diese Fragen schon im Vorfeld der ersten Open-Access-Anbindung betrachtet, vermeidet spätere Überraschungen.

FAZIT

»One size fits all« gibt es nicht – das ist die Ausgangslage für richtungweisende Fragen, wie man als Netzbetreiber (Supplier) oder in der Rolle des Providers (Partner) die Anbindung an den jeweiligen Kooperationspartner realisiert. Generell kann die Art der Anbindung an eine Open-Access-Plattform über den S/PRI-Standard erfolgen und/oder über proprietäre Schnittstellen der jeweiligen Plattform. Dabei gilt es individuelle Bedürfnisse zu beachten und Konsequenzen zu bewerten. Denn verschiedene Anforderungen führen zu unterschiedlichen Lösungen. Doch egal wie die Entscheidung auch ausfällt – letztendlich sollte das eingesetzte Business-Support-System definitiv in der Lage sein, die unterschiedlichen Schnittstellenanbindungen zu handeln und eine einheitliche Steuerung zu gewährleisten.