Bloß nicht aus der Rolle fallen – Klare Trennung von Bitstream-Netzbetrieb und Endkundengeschäft

Fachartikel von Alexander Kaczmarek Geschäftsführer

Beim Aufbau von Glasfasernetzen haben viele Netzbetreiber in den letzten Jahren den Fokus auf das Endkundengeschäft gelegt. Die Wertschöpfung erfolgt hier über die gesamte Strecke, vom Ausbau des Netzes über die Erbringung des Bitstream-Access bis hin zum Internet-Dienst mit Telefonie- und oft auch TV-Angebot. Wenden sich diese Netzbetreiber nun Open-Access zu, sei es als nachfragender Provider (Partner) oder als anbietender Netzbetreiber (Supplier), so muss das bisherige Leistungsspektrum aufgebrochen und separiert werden. Ohne entsprechende Maßnahmen droht aufgrund fehlender Aufgabentrennung ein schädigendes Nebeneinander von Prozessen und Systemen.

Solange ein Netzbetreiber nur das eigene Netz vermarktet und auch keinen externen Providern Zugang zum Netz gewährt, ist die Welt noch einfach. Oft verschwimmen die Grenzen und Aufgabenbereiche zwischen Vertrieb und Technik. Auch außerhalb der Systeme sind die Wege zu den jeweiligen Kollegen kurz, vieles lässt sich pragmatisch lösen.

Egal ob bei Auslieferung von ONT (Optical Network Termination) als Abschlusspunkt des Netzbetreibers und passendem Router (Endkundengeschäft Partner/Provider) oder bei der Schaltung des Anschlusses mit Port- und RADIUS-Provisioning: Es können und werden Dinge zusammengepackt und zusammen angegangen, die grundsätzlich verschiedene Ebenen der in Summe erbrachten Dienstleistung betreffen. Das resultierende Ergebnis in Form des »zufriedenen Kunden« mit schnellem Glasfaseranschluss gibt ebenfalls keinen Anlass, die Aufgabenteilung und Prozesse im Unternehmen infrage zu stellen. Dies wird bis heute immer noch so gemacht und ist in vielen Unternehmen leider gängige Praxis. Hier wäre »getrennt versenden« sicherlich die bessere Vorgehensweise, sofern man auch für Open-Access künftig perfekt aufgestellt sein möchte. Denn eins sollte klar sein: Wird das Netz für andere Vermarkter geöffnet, muss es auch eine klare Rollenverteilung geben – eine logische Trennung mit rollenspezifischen Ablaufprozessen von gleicher Qualität und Güte. Ansonsten droht ein schädigendes Nebeneinander ineffizienter Prozesse.

Kooperation

Immer wieder zu beobachten sind Situationen, in denen ein regionaler Netzbetreiber (z.B. ein Stadtwerk) die eigenen Produkte auch in einem regional angrenzenden Gebiet vermarkten möchte. Nicht selten vereinbaren die benachbarten Netzbetreiber sogar eine gegenseitige Kooperation, so dass die Produkte beider Anbieter jeweils im Netz des anderen angeboten werden können.

Open-Access-Szenario

Dieser Schritt, die eigenen Produkte auch in einem fremden Netz zu offerieren, erscheint zunächst noch überschaubar komplex. Die Produktion der Dienste (Internet, Telefonie, TV) kann wahrscheinlich ohne große Anpassung beibehalten werden. Allerdings kommt der Bitstream-Access (BSA) nun nicht mehr aus dem eigenen Haus, sondern ist eine Leistung des Open-Access-Netzbetreibers von nebenan, etwa die eben genannten Stadtwerke. Dieser Netzbetreiber setzt in der Rolle des Suppliers z. B. eine S/PRI-Anbindung oder eine Anbindung über eine Open-Access-Plattform voraus. Somit nehmen die beiden Kooperationspartner im Open-Access-Szenario wechselseitig jeweils die Rolle des Partners bzw. Suppliers gegenüber dem anderen ein.

»Wird das Netz für andere Vermarkter geöffnet, muss es auch eine klare Rollenverteilung geben – eine logische Trennung mit rollenspezifischen Ablaufprozessen von gleicher Qualität und Güte.«

Konkret führt dies zu notwendigen Anpassungen beim Ausfüllen der Rolle »Partner«. Der Abwicklungsprozess von Endkundenaufträgen muss so angepasst werden, dass die BSA-Leistung beim fremden Netzbetreiber eingekauft wird, statt im eigenen Haus Aufgaben zur Herstellung eines Glasfaseranschlusses zu verteilen. Auch entfällt z. B. die Verwaltung und Vergabe von OLT-Ports mitsamt zugehörigem Provisioning. Ebenso muss kein ONT mehr versendet werden, da diese Aufgabe dem Betreiber des Fremdnetzes zukommt. Aus dieser Perspektive ändern sich bestimmte Teile des Abwicklungsprozesses, wobei die Komplexität der Abwicklung im Netz des Kooperationspartners sogar einfacher wird.

Perspektivwechsel

Ganz anders kann es aber aus Sicht der Rolle »Supplier« aussehen. In einigen Fällen wurde das Business-Support-System (BSS / CRM) auf Basis des Endkundenauftrags auch für die Abwicklung des Bauauftrags bzw. BSA-Auftrags genutzt. Will heißen: Es gibt ggf. weder eine organisatorische noch systemische Trennung, um die »Bestellung« eines Bitstream-Access für sich genommen entgegenzunehmen und abzuwickeln. Um den fremden Nachfrager aber bedienen zu können, muss hierfür eine Lösung gefunden und erarbeitet werden. Zur Bearbeitung eingehender BSA-Bestellungen wird somit eine Funktionalität geschaffen, ggf. durch Einführung oder Entwicklung einer neuen Software-Lösung. An dieser Stelle droht nun die Gefahr, dass mit Bereitstellung dieser neuen Lösung (für den neuen Partner) die Arbeit als erledigt angesehen wird. Denn aus entsprechender Flughöhe betrachtet sind sowohl die Abwicklung von Endkundenaufträgen im eigenen Netz, im fremden Netz als auch Bestellungen des Partners abgedeckt.

Rollenverteilung im Innenverhältnis

Doch dieser Eindruck täuscht. Denn bei Einführung eines Abwicklungsprozesses von BSA-Bestellungen durch Dritte muss der bereits etablierte Prozess der Eigenvermarktung ebenfalls auf den Prüfstand. Ziel dieser Prüfung und wahrscheinlichen Überarbeitung ist, dass die Rollenverteilung nach Provider (Partner) und Bitstream-Netzbetreiber (Supplier) auch im Innenverhältnis bei Vermarktung der eigenen Produkte im eigenen Netz vollzogen wird – egal wer den Vertrieb macht.

Würde stattdessen die Supplier-Rolle in dieser getrennten Ausprägung ausschließlich gegenüber externen Partnern gelegt, so wäre die Konsequenz der Betrieb paralleler und damit unterschiedlicher Arbeitsabläufe für die Erbringung der de facto gleichen Leistung.

Die Realisierung dieser Rollenverteilung auch im Innenverhältnis erscheint spontan auch als nicht weiter komplex, sobald man die Supplier-Rolle für externe Nachfrager bereits realisiert hat. Der naheliegende Ansatz ist, die Anbindung und somit Kommunikation über die gleichen Kanäle zu führen, die auch externe Partner nutzen. Das mag zwar aus Sicht des Managements »gut laufen«, aber eben »nicht gleich«. Auch hier gilt deshalb die Devise: Nicht weiter wie bisher, sondern neu sortieren!

»Bei der Realisierung der Rollenverteilung auch im Innenverhältnis gilt die Devise: Nicht einfach weiter wie bisher, sondern neu sortieren, um Potentiale zu nutzen!«

Die größten Herausforderungen im Detail

Die erste auftretende Herausforderung hierbei ist allerdings den bereits bestehenden Kunden- und in Abwicklung befindlichen Auftragsbestand in dieses neue Zielbild zu überführen. »Migration« lautet hier das Stichwort, d. h. nach Etablierung der neuen System- und Prozessumgebung gilt es, die bestehenden Daten und Zustände in eben diese zu transformieren.

Eine zweite Hürde bzw. nicht direkt absehbare Konsequenz liegt in den kommerziellen Auswirkungen, falls der bestehende Kanal genutzt wird, um die eigene Partner- und Supplier-Rolle zu verbinden. Dies kann S/PRI-Kommunikation sein oder auch eine Open-Access-Plattform. In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass für die Nutzung der jeweiligen Lösung Transaktionskosten anfallen, die in der Abwicklung eigener Aufträge bisher nicht vorhanden waren.

Im Umgang mit diesen zusätzlichen Transaktionskosten gibt es mindestens drei Möglichkeiten:

a) Die Kosten werden akzeptiert vor dem Hintergrund ansonsten auftretender fachlicher Nachteile.
b) Der jeweilige Dienstleister bietet ein besonderes Vergütungsmodell an, welches diese internen Transaktionen abweichend bewertet.
c) Der »richtige« Kanal wird überbrückt, in dem die gleichen Geschäftsfälle im Innenverhältnis deckungsgleich mit den entsprechenden Endpunkten individuell / proprietär abgewickelt werden.

Gerade die letztgenannte Lösung führt allerdings neben dem entsprechenden Umsetzungsaufwand mindestens zu einem Parallelbetrieb unterschiedlicher Nachrichtenkanäle und damit wahrscheinlich auch zu im Detail abweichendem Verhalten. Hier gilt es Vor- und Nachteile im Einzelfall mit Bedacht abzuwägen.

FAZIT

Wenden sich Netzbetreiber Open-Access zu, sei es als nachfragender Provider (Partner) oder als anbietender Netzbetreiber (Supplier), so muss das bisherige Leistungsspektrum aufgebrochen und separiert werden. Wird das Netz also für andere Vermarkter geöffnet, muss eine klare Rollenverteilung und die entsprechenden Prozesse der internen Blackbox von Anfang an mit bedacht werden. Insbesondere ist darauf zu achten, den Bitstream nach außen und nach innen sauber zu trennen. Ziel ist das Erreichen rollenspezifischer Ablaufprozesse von gleicher Qualität und Güte. Generell gilt: Der Hut muss passen beim Rollenspiel von Netzbetreiber und Provider – ansonsten droht ein schädigendes Nebeneinander ineffizienter Prozesse.