Auf Einkaufstour – Reselling von Glasfaseranschlüssen regionaler Netzbetreiber

Autor: Jörg Wiesner

Bereits heute existiert auf dem deutschen TK-Markt ein reges Geschäft mit dem Ein- und Verkauf von Festnetzanschlüssen. Die einzigen in der Breite relevanten Produkte basieren dabei alle auf alten Kupferleitungen. Die Zukunft liegt allerdings in der Glasfaser. Wenn der Reselling-Markt in dieser Zukunft weiter eine Rolle spielen will, muss er sich über Kupfer hinaus entwickeln; die Chancen hierfür stehen mit S/PRI 4 heute so gut wie nie zuvor.

Das Grundprodukt der meisten Reselling-Angebote im Bereich Breitband basiert auf xDSL-Anschlüssen und hier in der breiten Masse auf Leistungen der Telekom Deutschland. Dabei wird entweder ein Bitstream- oder Resale-Produkt bei der Telekom direkt bezogen oder über alternative Netzbetreiber, die ihrerseits wiederum die Telekom-TAL anmieten, um den Zugang zum Kunden zu realisieren.

Dieses Reselling wird von einer nennenswerten Zahl kleiner und großer Provider betrieben, die ihrerseits die Endkundenverträge halten und die Gesamtleistung inkl. Telefonie-Dienst erbringen. Diese Form des Wiederverkaufs von xDSL-Anschlüssen funktioniert derzeit nur deshalb, weil ein Reseller z. B. über die Telekom Zugriff auf die Masse der per xDSL versorgbaren Haushalte bekommen kann. Ähnliches gilt für die weiteren bundesweit agierenden Wholesale-Anbieter wie z. B. QSC.

Es gibt also nur eine überschaubare Anzahl an relevanten Anbietern, über die ein Reseller diese Art von Anschlüssen beziehen kann. Hieraus ergibt sich gleichsam, dass es auch nur eine überschaubare Anzahl relevanter Order-Schnittstellen gibt, über die ein Reseller die Leistungen beauftragen kann. Die Komplexität zur Integration hält sich somit in Grenzen.

Die Kupfer-TAL wird auf Dauer allerdings nicht das Maß der Dinge sein. Vielmehr entstehen aktuell und in den nächsten Jahren verstärkt immer mehr Glasfasernetze, die im Gebäude (FTTB) oder sogar der einzelnen Wohnung (FTTH) enden. Dabei wird die neu entstehende Infrastruktur nicht länger von einem einzigen Unternehmen aufgebaut und betrieben, sondern landauf, landab von einer Vielzahl oft regional agierender Netzbetreiber.

Überregionales FTTH-Reselling benötigt Standardisierung

Um unter diesen sich verändernden Bedingungen auch künftig einen funktionierenden Reseller-Markt aufrecht zu erhalten, müssen die dafür benötigten Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn eines ist offensichtlich: Für einen einzelnen Provider, der bundesweit Glasfaseranschlüsse vermarkten will, ist es nicht möglich, mit jedem einzelnen Netzbetreiber Order-Schnittstellen und -Prozesse abzustimmen und individuell zu implementieren.

Andererseits wäre es für einen Reseller wünschenswert, wenn er unter Einsatz einer einheitlichen Schnittstelle bei möglichst vielen Glasfaser-Netzbetreibern Vorleistungsprodukte beziehen könnte, sogar unabhängig davon, ob es sich um Resale- oder Bitstream-Access-Produkte handelt.

Genau hier setzt S/PRI an, um dieses Ideal Wirklichkeit werden zu lassen. Denn in dieser Schnittstellen-Spezifikation sind die zugehörigen Order- und LifeCycle-Prozesse definiert. Die resultierende Standardisierung ist Voraussetzung dafür, dass die derzeitige Bildung von Inseln auf Seite der aufgebauten regionalen Glasfasernetze nicht zu Hindernissen auf Ebene der Geschäftsprozesse werden und somit zum Hemmschuh bei der Vermarktung von FTTH/B-Anschlüssen.

Einheitliche Order-Prozesse schaffen neue Vermarktungsmöglichkeiten

Damit dieses Glasfaser-Reselling-Bild Realität werden kann, muss sich natürlich ein entsprechender Nachfrageund Anbieter-Markt in der Breite erst noch bilden. Zwar setzen einige große Unternehmen wie QSC, 1&1, M-Net, NetCologne und EWE tel bereits auf S/PRI, aber von einer Flächendeckung kann noch keine Rede sein. Dabei bietet gerade eine solche überregionale Abdeckung Reselling-Providern völlig neue Vermarktungsmöglichkeiten. Gleichzeitig können partizipierende Netzbetreiber wiederum von etablierten Marken und Vertriebswegen profitieren und so einen zweiten indirekten Vertriebsweg eröffnen.

Die Verfügbarkeit der S/PRI-Spezifikation alleine ist dabei natürlich nicht ausreichend. Vielmehr muss die Schnittstelle auch in die CRM- und Order-Systeme der Reseller und Netzbetreiber integriert werden. Aber auch hier hilft die Standardisierung, denn die Hersteller entsprechender Softwaresysteme müssen nicht viele verschiedene Schnittstellen implementieren, sondern können sich im besten Fall auf S/PRI konzentrieren. Ähnlich wie heute WITA bereits zur Übermittlung von Aufträgen an die Telekom Deutschland integriert ist, so ist künftig immer öfter S/PRI im Einsatz. Allerdings mit dem Vorteil, dass über S/PRI nicht nur ein einziger Netzbetreiber angesprochen werden kann, sondern im Optimalfall eine Vielzahl.

Da in einem solchen Szenario verschiedenste S/PRI-Umsetzungen aufeinander treffen werden, ist neben der eigentlichen Standardisierung der Schnittstelle eine weitere Zutat unabdingbar: Die Einhaltung eben dieser Spezifikation muss durch eine neutrale Stelle sichergestellt sein. Vergleichbar zu den Konformitätstests der Telekom gibt es daher Tests von S/PRI-Implementationen mit zugehörigerer Zertifizierung. Verfügt sowohl das System eines Resellers (S/PRI Partner) als auch das eines Netzbetreibers (S/PRI Supplier) über eine entsprechende Zertifizierung, stehen einer erfolgreichen Zusammenarbeit keine technischen Hindernisse im Weg.

Fazit

Deutschland befindet sich langsam aber sicher auf dem Weg zum Glasfaserland. Der Breitbandausbau wird dabei von vielen Akteuren geschultert. Mit den richtigen Rahmenbedingungen kann in den nächsten Jahren ein neuer Resale-Markt für FTTH-Anschlüsse entstehen, der sowohl für Reseller als auch Netzbetreiber Vorteile verspricht. Die Standardisierung der zugehörigen Geschäftsprozesse ist dabei ein entscheidender Faktor und S/PRI 4 ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Expertenkommentar Tim Brauckmüller

S/PRI 4.0 – kleines Kürzel, große Wirkung

Der flächendeckende Ausbau mit Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA-Netzen) in Deutschland hat mehrere Hürden zu nehmen: Neben der Errichtung von physischer Infrastruktur spielt auch die Etablierung geeigneter Schnittstellen für die Buchung von Vorleistungsprodukten eine herausragende Rolle, um einen funktionierenden Wettbewerb der verschiedenen Infrastrukturen und Service Provider gleichermaßen zu ermöglichen.

Insbesondere die Ausweitung des Geltungsbereiches der Schnittstelle auf alle TK-Infrastrukturen erweist sich daher als wichtiger und notwendiger Schritt, um eine möglichst große Zahl von Marktteilnehmern zu erreichen und deren Kommunikation untereinander zu vereinfachen.

Nur durch solche standardisierten Schnittstellen können die komplexen Prozesse vereinfacht und Transaktionskosten gesenkt werden. Die Multi-Stakeholder-Initiative zur Etablierung der Schnittstelle S/PRI erweist sich dabei als ein enorm wichtiger Schritt, um das Zusammenspiel aller Marktteilnehmer zu verbessern und weiter voran zu treiben sowie die Akzeptanz des Standards zu erhöhen. Diese Harmonisierungsbestrebungen sind im internationalen Kontext derzeit einzigartig und können mit den Bestrebungen im Ausland mehr als Schritt halten.

Das zukünftige Potenzial von S/PRI 4.0 kann angesichts stetig steigender Open-Access Bemühungen bisher noch nicht abschließend gesehen werden. Gerade im Zuge der Überführung der Kostensenkungsrichtlinie in nationales Recht und der dazugehörigen TKG Novellierung bietet eine breit akzeptierte Schnittstelle erhebliches Marktpotenzial.

Tim Brauckmüller, Breitbandbüro des Bundes