Über 20 Jahre Telekommunikation – Ein Branchen-Dino blickt zurück

Alfred Kerscher

Im Interview: Herr Alfred Kerscher, Geschäftsführer der BITel Gesellschaft für kommunale Telekommunikation mbH

ZUR PERSON
Im Mai 1997 übernahm Dipl.-Ing. Alfred Kerscher die Geschäftsführungen der BITel Gesellschaft für kommunale Telekommunikation mbH und der ehemaligen GTelnet Telekommunikationsgesellschaft mbH. Nachdem sich beide Unternehmen im Jahr 2002 zur BITel Gesellschaft für Kommunikation mbh mit Firmensitz in Gütersloh zusammenschlossen, ist er Alleingeschäftsführer und verantwortet die Geschäftsentwicklung des regionalen Telekommunikationsdienstleisters. Nach dem Studium der Elektrotechnik/Nachrichtentechnik arbeitete Kerscher zunächst in der Entwicklung. Von Beginn der Liberalisierung engagierte er sich für die Versorgung mit Breitband. Zehn Jahre  war Alfred Kerscher im Vorstand des BREKO (Bundesverband Breitbandkommunikation e. V.) tätig. Seit 2012 leitet er den Arbeitskreis Telekommunikation beim VKU (Verband kommunaler Unternehmen). Sein besonderes Augenmerk liegt im Breitbandausbau – insbesondere im ländlichen Raum.

Jörg Wiesner: Herr Kerscher, Sie bezeichnen sich oftmals selbst gerne als den dienstältesten Branchenexperten der Telekommunikation in Deutschland. Grund genug also, um gemeinsam mit Ihnen auf mehr als zwei Jahrzehnte Telekommunikation zurückzublicken. Starten wir beim Urknall im Jahre 1989, nachdem die Öffnung des Telekommunikationsmarktes begonnen hat. Wo lagen zu diesem Zeitpunkt die größten Herausforderungen?

Alfred Kerscher: 1989 wurde die Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens beschlossen. Der Sprachtelefondienst wurde ab 1998 für den Wettbewerb geöffnet. Zeitgleich sollte die Netzinfrastruktur EU-weit liberalisiert werden, um den Übergang vom Monopol zum Wettbewerb geregelt umzusetzen. Das galt nicht nur für das Festnetz, sondern auch für den Mobilfunk, der eingebunden werden musste. Zu diesem Zweck wurden vier verschiedene Lizenzen geschaffen. In dieser Zeit nahm ISDN Fahrt auf. Damit nahm die Digitalisierung der TK-Branche ihren Anfang. Es wurden Behörden geschaffen, welche die Öffnung des Marktes regeln und überwachen sollten. Heute sind sie alle unter dem Dach der Bundesnetzagentur zusammengefasst. Aus heutiger Sicht hört sich das alles wie Schlagworte an. Doch zum damaligen Zeitpunkt waren es große Herausforderungen.
Betrachtet man die Entwicklung der Telekommunikationsbranche, hatten nicht einmal Visionäre eine Vorstellung vom heutigen Markt.

Blicken wir nun zurück in die zweite Ära, konkret auf den 1. Januar 1998. Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes war freigegeben. Welche Auswirkungen und Konsequenzen waren dadurch am Markt spürbar?

Die erste Auswirkung war »Call by Call«; heute spielt dieses keine große Rolle mehr im Markt. Jeder wollte ausprobieren, ob man wirklich günstiger telefonierte. Die Carrier kämpften um die Zusammenschaltung mit der Telekom und der Anmietung der Teilnehmeranschlussleitungen (TAL). In rasanter Fahrt stieg die erhaltene Leistung beim Kunden trotz fallender Preise. Heute weiß man, dass der Slogan »Wer gräbt verliert« falsch war. Der Kunde bekam eine für ihn unüberschaubare Auswahl an Tarifen und Dienstleistungen. Ein Vergleich wurde immer schwieriger. Durch die fallenden Preise wurde der erhoffte Infrastrukturwettbewerb ausgebremst. Es blieb den Netzbetreibern nur wenig Marge, um eigene Netze aufzubauen. Das gelang nur wenigen, potenten Anbietern. Das Internet nahm Fahrt auf; es kam zu berauschenden Geschwindigkeiten von 128 kBit/s. So lange ist das im Rückblick noch nicht her.
Der Markt wurde immer unüberschaubarer und das Problem der sogenannten dot-com-Blase ist mir noch in guter Erinnerung. Sehen wir es mal so: Nach 2002 konsolidierte sich der Markt und lief in geregelteren Bahnen ab. Der Preisdruck war  »ruinös«.

Da muss ich nochmal nachhaken Herr Kerscher, könnten Sie das bitte konkretisieren?

Immer mehr Carrier schlossen sich zu größeren Verbünden zusammen. Die zu Anfang gegründeten City Carrier gingen in größeren Firmen auf. Interessenverbände wurden gegründet, um gegen den damaligen »Feind« Telekom ein größeres Gewicht zu haben. Der Kunde war in einer komfortablen Situation. Er konnte sich sein passendes Angebot suchen, während die Anbieter immer mehr Leistung zum gleichen Preis aufbieten mussten, um den Kunden zu halten bzw. der Telekom abzujagen.

Abschließend nochmal komplett zurück an die Anfänge der Liberalisierung des Marktes. Was hätte man besser bzw. anders machen können oder sogar müssen? Und was empfehlen Sie für die kommenden Jahre?

Bekanntlich ist man nachher immer schlauer. Aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen, die Infrastruktur – ähnlich dem Energiesektor – in eine eigene Gesellschaft auszulagern, um ein einheitliches Netz zu schaffen. Das Netz der Telekom wäre in diese Gesellschaft überführt worden. Die Bürger Deutschlands hatten das Kupfernetz ja schon durch ihre Gebühren bezahlt. So hätte man diesen Preisbestandteil für den Ausbau eines modernen Netzes nutzen können. Wahrscheinlich wäre Deutschland beim Ausbau des Glasfasernetzes wesentlich weiter als heute. Der Wettbewerb hätte sich auf den Dienste-Wettbewerb konzentriert und wir wären mit anderen führenden Nationen vergleichbar.

Herr Kerscher, ich bedanke mich recht herzlich für die spannende Zeitreise!

Persönliches:

Wie alt sind Sie?

So alt, dass man mich durchaus als Dino der Branche bezeichnen kann.

In welcher Stadt leben Sie?

Mitten in Deutschland im wunderbaren Bad Salzuflen, wo es Luft und Wasser wie an der See gibt.

Wenn der Stress doch mal zu viel wird, womit lenken Sie sich in Ihrer Freizeit ab?

Mit Wandern.

Was bevorzugen Sie zum Frühstück: Marmelade oder Wurst?

Marmelade.

Wo trifft man Sie im Urlaub: Mallorca oder Schwarzwald?

Im Norden und Süden Deutschlands.

Was sehen Sie sich im Fernsehen an: Tatort oder Talent-Show?

Keines von beiden, ein gutes Buch ist mir lieber.

Ihr Smartphone: Apple oder Samsung?

Beruflich Apple, privat Samsung!

Was bevorzugen Sie in Ihrer Freizeit: Theater oder Kino?

Musik im Theater oder in der Rudolf-Oetker-Halle und hier besonders die Nacht der Chöre in Bielefeld.

Was würden Sie im nächsten Leben beruflich machen?

Die Elektrotechnik hat mich immer fasziniert und es bleibt auch im nächsten Leben dabei.

Abschließend, welches Erlebnis werden Sie nie vergessen?

Die Geburt meiner Kinder!