Multi-Play und Bündeltarife – Umsatzretter oder Komplexitätsmonster?

Autor: Jörg Wiesner

Fallender Umsatz je Kunde bei gleichzeitig sinkenden Margen, neue Bündeltarife der großen Anbieter. Müssen spätestens jetzt Telco-Provider auf breiter Front in Multi-Play-Angebote einsteigen? Und droht nicht gerade mittelständischen Anbietern auf diesem Spielfeld die Gefahr nicht beherrschbarer Komplexität?

Klassische Dienste wie Internet-Access und Telefonie sind heute zwar immer noch die Basis vieler Telco-Provider. Aber ein Ende des Preisverfalls gerade in diesen Segmenten ist nicht abzusehen. Dabei sind die noch erzielbaren Margen bereits auf einem bedenklich niedrigen Niveau.

Um den Umsatz je Kunde zu steigern oder zumindest bestehende Umsätze zu sichern, müssen daher zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden. Die Ausweitung des eigenen Angebots um neue Dienste liegt da nahe. Typische Vertreter dieser Value-Added-Services sind je nach Zielgruppe TV (IPTV, Kabel-TV, Web-TV) für Endkunden oder auch virtuelle Telefonanlagen (vPBX) für Geschäftskunden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer möglicher Zusatzdienste wie Mobilfunk, E-Mail, Hosting oder ganz aktuell Smart-Home.

Stärkere Kundenbindung möglich

Mit dem zur IFA in Berlin vorgestellten „Magenta1“ verknüpft nun auch die Telekom erstmals Festnetz, Internet, TV und Mobilfunk in einem Paket. Dabei ist sie hier keinesfalls Vorreiter, denn sowohl Kabeldeutschland als auch Unitymedia bieten solche Bündeltarife bereits an. Durch Paketbildung soll nicht nur der Grundumsatz je Kunde gesteigert, sondern auch eine größere Kundenbindung erzielt werden. Bei Bezug aller Dienste über einen einzigen Anbieter mit entsprechendem Preisvorteil und potenziell nur einem gesamtheitlich kündbaren Vertrag wird die Hürde für einen Wechsel deutlich erhöht und die Vergleichbarkeit einzelner Bestandteile erschwert.

Reine Verfügbarkeit des Dienstes reicht nicht

Generell erscheint die Aufnahme neuer Dienste in das eigene Portfolio zunächst als kein allzu großer Schritt, denn für jede Art von Dienst findet sich schnell ein entsprechender Vorleistungslieferant. Viele klassische Carrier-Service-Dienstleister erweitern ihrerseits auch aktiv das Angebot solcher Vorleistungen, um den Anforderungen der Telco-Provider gerecht zu werden. Allerdings ist es mit der reinen Verfügbarkeit eines weiteren Dienstes nicht getan. Vielmehr beginnen die eigentlichen Herausforderungen erst an dieser Stelle.

Abwicklung wird insgesamt komplexer

Durch ein immer größer werdendes Leistungsangebot nimmt zwangsläufig die Komplexität in der zugehörigen Abwicklung zu. Angefangen beim Produktmanagement, das für die neuen Dienste auf die jeweilige Zielgruppe angepasste attraktive Angebote formen muss, über Vertrieb, Customer-Service und Technik müssen sich alle Abteilungen mit den neuen Diensten befassen. Produkt-Know-how muss aufgebaut, neue Prozesse müssen etabliert und IT-Systeme angepasst werden.

Lifecycle-Prozesse durchgängig integrieren

Sehr gut nachvollziehen lässt sich dies am Beispiel „Mobilfunk“: Möchte ein Anbieter von festnetzbasierten Diensten für Telefonie und Internet als Teil einer Multi-Play-Strategie zusätzlich Mobilfunk ins eigene Portfolio aufnehmen, sieht er sich einer Vielzahl an Herausforderungen gegenüber. Order-Management- und SIM-Anschaltprozesse müssen etabliert, mobile Rufnummernportierung unterstützt werden. Zudem gilt es, zuvor unbekannte Lifecycle-Prozesse wie SIM-Kartentausch und auch neue Missbrauchsszenarien zu berücksichtigen. Selbst das bereits seit Jahren vom Anbieter eingesetzte Billingsystem sieht sich vor neuen Aufgabenstellungen, wenn neben bekannten Gesprächen auch SMS, MMS, Datenverbindungen und Micropayments abgerechnet werden müssen, inklusive Roaming-Szenario.

Aufwand nicht unterschätzen

Gerade diese IT-technische Unterstützung der neuen oder angepassten Prozesse darf nicht unterschätzt werden, von der Auftragserfassung über das Order-Management bis hin zum Billing der neuen Dienste. Viele bestehende Systeme bieten einerseits nicht die Möglichkeit, die erweiterten Services überhaupt mit überschaubarem Aufwand abzubilden. Andererseits bringt die Einführung von Bündeltarifen eine weitere Komplexität für das jeweilige Business-Support-System mit sich.

Technisch unterschiedliche Leistungen sollen in einem vertraglichen Gesamtpaket zusammengefasst werden. Das heißt, die kommerziellen Konditionen gelten für ein Bündel an Diensten, die technisch separat realisiert werden. Dabei ergeben sich schnell Detailfragen z. B. nach dem Startzeitpunkt der Vertragslaufzeit und der ggf. anteiligen Gebührenberechnung, wenn die Bereitstellung der einzelnen Dienste nicht zeitgleich erfolgt, sondern mit größerem Versatz.

Konsequenzen für vertragliche Regelungen

Am Telekom-Beispiel Magenta1 kann man sehr schön erkennen, dass selbst die Telekom vor der Komplexität solcher Bundle-Verträge zurückschreckt: Der Magenta1-Vorteil wird über eine einfache Gutschrift auf der Mobilfunkrechnung realisiert. Will heißen: Festnetz- und Mobilvertrag bestehen unabhängig nebeneinander. Erlangt der Endkunde den Magenta1-Vorteil allerdings über das IP-basierte Festnetz, so erhält er die zugehörige Mobilfunk-Gutschrift automatisch.

Gerade diese in der Praxis häufig auftretenden Fälle bei der Abwicklung von Multi-Play-Bündeltarifen müssen frühzeitig über alle Fachabteilungen hinweg betrachtet werden, da sich hieraus auch direkte Konsequenzen für die vertraglichen Regeln und das kommerzielle Angebot ergeben. Die Realisierbarkeit und Art der Umsetzung hängt dabei von eigenen technischen Voraussetzungen, den Vorgaben des Vorleistungslieferanten und den Möglichkeiten des Business-Support-Systems ab. Um spätere Überraschungen zu vermeiden, sollten daher die betroffenen Fachabteilungen und Dienstleister möglichst früh und umfassend in die Planung der Umsetzung einbezogen werden.

Fazit:

Die intelligente Auswahl sinnvoll ergänzender Zusatzdienste entscheidet maßgeblich, ob eine Multi-Play-Strategie in gesichertem Umsatz oder nicht beherrschbarer Komplexität mündet. Ergänzende Dienste müssen sich nicht nur gut ins bestehende Portfolio eingliedern und dem Endkunden sinnvolle Ergänzungen bieten. Ebenso müssen die Dienste in die eigene Prozess- und Systemlandschaft integriert werden können.