Multi-Play im Visier: Auf in den Wettkampf?

Prof. Dr. Torsten J. Gerpott

Im Interview: Prof. Dr. Torsten J. Gerpott

ZUR PERSON
Univ.-Prof. Dr. Torsten J. Gerpott leitet seit 1994 den Lehrstuhl Unternehmens- und Technologieplanung, Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Im Jahr 1996 gründete er die DIALOG CONSULT GmbH. Von 1988 bis 1994 arbeitete er in einer US-amerikanischen Management-Beratung. Seit 1998 ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen der Bundesnetzagentur.

Alexander Kaczmarek: Herr Prof. Dr. Gerpott, schaut man sich aktuelle Werbekampagnen und Messeauftritte an, so treten die Branchengrößen auf breiter Front mit Bundle-Angeboten auf. Welche Bedeutung haben dazu im Vergleich Triple- oder Multi-Play-Bündel für mittelständische und oft regional ausgerichtete Breitbandanbieter?

Bei der Einschätzung der Bedeutung muss man meines Erachtens zwischen der direkten Adressierung von Privatkunden und der indirekten über die Wohnungswirtschaft differenzieren. Wenn man als regional ausgerichteter Breitbandanbieter Wohnungsgesellschaften gewinnen möchte, ist ein Triple-Play-Angebot bestehend aus Telefonie, Internet und TV sehr wichtig, da die Wohnungswirtschaft den Mietern entsprechende Angebote vor allem inklusive Fernsehen unterbreiten will.

Bei einer direkten Ansprache von Privatkunden teile ich den von der Telekom verbreiteten Optimismus hinsichtlich der Absatzchancen von geschlossenem Internetfernsehen (IPTV) nicht, denn die adressierten Privatkunden verfügen i. d. R. ja schon über einen Zugang zu herkömmlichem, linearen Fernsehen, sei es über Satellit oder Kabel. Die Bündelung von IPTV mit anderen Telekommunikationsdiensten ist im Privatkundengeschäft nicht der Haupttreiber von Erfolgen bei der Kundengewinnung.

Kann nicht trotzdem gerade IPTV als zusätzlicher Dienst mit interessanter Zusatzfunktionalität ein Argument und Treiber für eine hochbitratige Internetversorgung sein, wenn Privatkunden direkt angesprochen werden?

Ja, ein ergänzendes Verkaufsargument. Für Anbieter von Breitbandprodukten, die sehr schnelle Anschlüsse von 100Mbit/s oder mehr erfolgreich vermarkten möchten, ist der Verweis auf die Möglichkeit des Empfangs von HD-TV oder zukünftig Super-HD-TV über den Internetanschluss ein wichtiger Ansatzpunkt, um Privathaushalte zu überzeugen, leistungsstärkere Internetanschlüsse nachzufragen. Denn wenn Kunden HD-TV konsumieren wollen, so benötigen sie zwingend diese Bandbreiten, allerdings eben nicht gleichzeitig auch ein Abo eines Anbieters von geschlossenem IPTV.

Ist es für regionale Breitbandanbieter heute noch ausreichend, sich auf die klassischen Telekommunikationsdienste Telefonie und Internet-Access zu beschränken? Oder muss das Angebot ausgeweitet werden auf Mobilfunk vergleichbar zu einigen bundesweiten Anbietern?

Empirische Untersuchungen zeigen, dass Kunden die Kaufentscheidung für Mobil- und Festnetz-Anschlüsse getrennt voneinander treffen. Es schadet natürlich nicht, ein Kombi-Angebot anbieten zu können. Aber die Kunden sind nicht so gepolt, dass One-Stop-Shopping hier ein K.O.-Kriterium für oder gegen einen bestimmten Anbieter ist.

In welchen Bereichen liegt das größere Potenzial, wenn Breitbandanbieter über das klassische Triple-Play hinaus zusätzliche Dienste in das eigene Portfolio aufnehmen wollen: Mobilfunk oder Smart-Home?

In diesem Vergleich auf jeden Fall bei Mobilfunk. Auch wenn Mobilfunk allein kein starkes Entscheidungsgewicht bei der Auswahl eines Festnetzanbieters hat, so ist er aus Sicht eines Telekommunikationsanbieters doch die näher liegende Ergänzung.

Smart Home war ja ein großes Thema auf der diesjährigen IFA in Berlin. Allerdings muss die Frage gestellt werden: Was bringt dem Telekommunikationsanbieter das Geschäft außer dem zusätzlichem Absatz von Geräten? Wenn es dem Anbieter hier gelingt, eine sinnvolle Kombination mit den eigenen Leistungen zu realisieren, wäre dies durchaus interessant. Ansonsten sehe ich Smart Home eher als Gebiet für Systemintegratoren oder kleine IT-Systemhäuser als für Telco-Provider, da für letztere die Geschäftspotenziale in deren Kerngeschäft eher begrenzt sind.

Wo sehen Sie die Gefahren gerade für mittelständische Anbieter beim Ausbau eines umfangreichen Multi-Play-Leistungsangebots? Inwiefern können Kooperationen z. B. mit OTT-Anbietern helfen?

Bei Aufbau von Inhouse-Lösungen für zusätzliche Dienste wie ein eigenes TV- oder auch VoD-Angebot steht der Anbieter zunächst hohen Fixkosten gegenüber, die sich bei begrenzten Kundenanzahlen allenfalls über einen langen Zeitraum amortisieren.

Hier ist es oft besser, auf Spezialisten mit entsprechenden Plattformen zu setzen, die ihre Dienste mehreren Providern zur Verfügung stellen. So lässt sich das Geschäftsmodell besser und sicherer kalkulieren. Außerdem sinkt auch der Aufwand zur Beschaffung des Contents bzw. der benötigten Verbreitungsrechte.

Alexander Kaczmarek: Herr Prof. Dr. Gerpott, vielen Dank für das Gespräch.

Persönliches:

Wie alt sind Sie?

56 Jahre.

In welcher Stadt leben Sie?

Mülheim an der Ruhr.

Wenn der Stress doch mal zu viel wird, womit lenken Sie sich in Ihrer Freizeit ab?

Einer 20 km Laufrunde durch den Wald.

Was bevorzugen Sie zum Frühstück: Marmelade oder Wurst?

Ich frühstücke nur im Urlaub, dann lieber Marmelade.

Wo trifft man Sie im Urlaub: Mallorca oder Schwarzwald?

Weder noch. Mir hat es Südafrika als Reiseziel angetan.

Was sehen Sie sich im Fernsehen an: Tatort oder Talent-Show?

Tatort.

Ihr Smartphone: Apple oder Samsung?

Apple.

Was bevorzugen Sie in Ihrer Freizeit: Theater oder Kino?

Weder noch. Meine Frau motiviert mich aber dazu Chorkonzerte und Opern zu besuchen.

Abschließend, welches Erlebnis werden Sie nie vergessen?

Die letzten zwei Kilometer beim Marathon in Hamburg 1988, als ich bei strahlendem Sonnenschein durch ein Spalier von dicht gedrängten Menschen lief und wusste, dass ich meine persönliche Bestzeit verbessern würde.