Die meisten neuen Netzbetreiber starten nicht auf der grünen Wiese, sondern erweitern das bestehende Geschäft um Internet, Telefonie und oft TV via Glasfaser. Deshalb sind normalerweise bereits Systeme wie eine Kundenverwaltung, ein Abrechnungssystem und auch eine Finanzbuchhaltung im Einsatz. Auf dieser Ebene könnte daher der Eindruck entstehen, dass auf der bestehenden Grundlage auch die neuen Dienstleistungen realisiert werden können.
Die Komplexität liegt im Detail
Im Detail sind die Anforderungen im Bereich Telekommunikation allerdings sehr speziell, so dass auch entsprechend darauf ausgerichtete Systeme zum Einsatz kommen müssen. Die Entscheidung für die Errichtung eines Glasfasernetzes bringt also als Konsequenz den Aufbau einer Systemlandschaft mit sich, die alle Bereiche abdecken muss – von der Planung über die Realisierung, Vermarktung, Verwaltung, Integration dritter Vordienstleister, bis hin zu Abrechnung und Forderungsmanagement.
Die Vielzahl an Fachbereichen, Systemen und ggf. auch externen Dienstleistern, die diese System- und Prozesslandschaft bilden, führt zu einer entsprechenden Komplexität, derer man sich bewusst sein muss. Die Klärung und Abstimmung der genauen Aufgabenverteilung zwischen diesen Elementen bis hin zur Festlegung der einzelnen Prozessabläufe bedarf einer angemessenen Vorlaufzeit. Daher sollten die zugehörigen Arbeiten parallel zum Aufbau des Glasfasernetzes in Angriff genommen werden.
Überblick verschaffen
Gerade im Bereich Telekommunikation und hier besonders für Netzbetreiber gibt es dabei keinen allgemeinen Standard, an dem man sich orientieren kann. Die Ursache hierfür liegt einerseits in den unterschiedlichen Rahmenbedingungen des einzelnen Netzbetreibers und natürlich auch in der Auswahl der Systeme und Vordienstleister.
Um den Einstieg zu finden, muss man sich zunächst einen Überblick verschaffen, sowohl über die zu realisierenden Prozesse als auch über die dafür benötigten Systeme und möglichen Anbieter. Dabei ist es von großem Vorteil, sich an vergleichbar aufgestellten Marktteilnehmern zu orientieren. Gerade im regionalen Glasfasermarkt und der oft nicht vorhandenen Konkurrenzsituation sind solche Erfahrungsaustausche gewünscht und verbreitet.
Eigenes Bild aufbauen
Passend zu den eigenen Anforderungen und Rahmenbedingungen muss im Anschluss daran ein eigenes Bild darüber aufgebaut werden, um die einzelnen notwendigen Aufgaben und Bausteine im Puzzle der künftigen System- und Prozesslandschaft zu fixieren. Hierbei geht es noch nicht darum zu entscheiden, wer welche Aufgabe wie erfüllen soll. Vielmehr muss zunächst einmal erkannt und benannt werden, welche konkreten Baustellen überhaupt existieren.
Passende Lösungen und Dienstleister auswählen
Wenn auf diesem Weg das zu erreichende Ziel und die möglichen Herangehensweisen generell bekannt sind, muss als nächstes ein eigenes konkretes Lösungsszenario aufgestellt werden. Für jede anstehende Aufgabe gilt es zu entscheiden, wer diese mit welchem System erfüllt. Es muss also eine Zuordnung zu internen Fachabteilungen erfolgen oder eine Aufgabe durch einen Dienstleister übernommen werden.
Ebenso ist dabei für einzelne Bereiche zu klären, ob Lösungen eingekauft oder selbst geschaffen werden. Diese typische »Make or Buy« Entscheidung fällt freilich immer häufiger zugunsten des »Buy« aus, da rund 20 Jahre nach der Marktliberalisierung bereits viele vorgefertigte Lösungsbausteine von spezialisierten Anbietern angeboten werden.
Bei der Auswahl der Anbieter für einzelne Komponenten oder Dienstleistungen empfiehlt es sich darauf zu achten, dass zwischen diesen möglichst bereits Integrationen existieren oder zumindest gleichartige Integrationen vorgenommen wurden. Auf diesem Weg wird das bevorstehende Projekt nicht nur überschaubarer. Vielmehr profitiert man so von den bereits gemachten Erfahrungen, die in die bestehenden Lösungen und Integrationen schon eingeflossen sind.
Generell gilt an dieser Stelle, dass auch ohne existierenden Standard die Orientierung am »Best-Practice« infrage kommender Anbieter sehr hilfreich ist, um zu individuelle und damit oft aufwändige Lösungen zu vermeiden.
Projekt »richtig« aufsetzen
Wenn alle Stellen im Bild der aufgestellten System- und Prozesslandschaft besetzt wurden, gilt es nun das eigentliche Einführungsprojekt aufzusetzen. Mit der Auswahl von Systemen und Dienstleistungspartnern ist ein wichtiger Meilenstein erreicht. Die eigentliche Arbeit beginnt aber erst. Zu Beginn muss intern ein verantwortlicher Projektleiter benannt werden, dem ggf. weiter zuständige Spezialisten aus den betroffenen Fachbereichen zur Seite gestellt werden. Dieser Projektleiter ist dafür zuständig, alle Fäden zusammenzuhalten, um so maßgeblich den erfolgreichen Abschluss des Projektes zu gestalten.
Seitens der Systemanbieter und Dienstleister müssen ebenfalls verantwortliche Ansprechpartner benannt werden, ggf. auch Projektleiter und zusätzliche Ansprechpartner für einzelne Themenbereiche. Hilfreich ist dabei von Beginn an eine Kommunikationsmatrix aufzustellen, damit allen Projektbeteiligten die zuständigen Ansprechpartner bekannt sind.
Darüber hinaus sollten seitens des Netzbetreibers so früh wie möglich »Key User« innerhalb der neuen Systemlandschaft benannt werden. Die frühzeitige Einbeziehung dieser Anwender sichert die Akzeptanz der im Rahmen des Projektes aufgestellten neuen Abläufe, da sich die betroffenen Personen ebenso frühzeitig einbringen und aufgrund der Mitwirkung im Projekt auch Zusammenhänge bzw. Konsequenzen nachvollziehen können.
Prozesse in den Fokus stellen
Das gesamte Einführungsprojekt sollte immer die abzubildenden und vor allem notwendigen Prozesse und Abläufe in den Vordergrund stellen. Gerade bei komplexen Zusammenhängen empfiehlt es sich, möglichst alle zu unterstützenden Situationen und Aufgaben hinsichtlich der Umsetzung zu hinterfragen. Während der Planungsphase vergessene Prozesse sind ansonsten nachträglich oft nur mit deutlich größerem Aufwand zu realisieren.
Schon zu Beginn des Projektes sollte daher eine Sammlung an Prozessen und Geschäftsvorfällen vom neu eigehenden Kundenauftrag über Produktwechsel, Umzüge bis zur Kündigung aufgestellt werden. Diese Aufstellung dient insbesondere auch als Testplan für die Abnahme der fertigen Systemlandschaft. Allerdings kann anhand dieser Liste nicht geprüft werden, ob der Prozess bereits in der Planungsphase berücksichtigt wurde.
Qualitätssicherung verhindert Überraschungen
Wenn man auf einer solchen Grundlage die Vollständigkeit und Korrektheit der fertigen Systeme und Prozesse prüft, sichert man sich gegen unerwünschte Überraschungen im produktiven Alltag ab. Nichts ist ärgerlicher als zu hören »daran haben wir nicht gedacht«, da in einem solchen Fall nicht nur die Planung von vorne beginnt. Vielmehr müssen bei nachträglicher Anpassung Seiteneffekte und Nebenwirkungen umfangreicher betrachtet werden, als wenn die Anforderung schon von Beginn an bekannt gewesen wäre.
Nach erfolgter Qualitätssicherung gilt es das Projekt ebenso »richtig« abzuschließen, wie es begonnen wurde. Hierzu zählen potenziell Nachbesprechungen mit Betrachtung des Projektablaufs, ggf. aber auch die Benennung offener Punkte, die zwar nicht zum Projektumfang zählten, aber im Verlauf dessen erkannt wurden. Für diese Aspekte muss dabei festgelegt werden, wie mit ihnen im weiteren Verlauf zu verfahren ist.
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt
Wenn eine Sache im Telekommunikationsumfeld Bestand hat, dann die Veränderung. Auf Basis der geschaffenen System- und Prozesslandschaft werden immer wieder Änderungen oder auch Ergänzungen stattfinden. Auslöser hierfür sind gesetzliche oder regulatorische Vorgaben, neue Produkte und Dienste oder der Austausch einzelner Komponenten der Systemlandschaft.
Zusammen mit den richtigen Partnern sind aber alle diese Herausforderungen zu meistern.
FAZIT
Den Einstieg ins Glasfasergeschäft macht man nicht nebenbei. Die Identifikation und Auswahl aller benötigten Bausteine wie auch die Realisierung der notwendigen Prozesse sind eine komplexe Angelegenheit. Daher muss so früh wie möglich die Landschaft der aufzubauenden und zu integrierenden Systeme sowie Vordienstleistungen festgelegt und mit Leben gefüllt werden. Nur so steht das Gesamtprojekt »Glasfaser« auf einer soliden Basis, um u. a. auch Synergien zwischen den einzelnen Elementen nutzen zu können. Dabei sind die Erfahrungen der ausgewählten einzelnen spezialisierten Dienstleister sowie deren Partner-Netzwerk von entscheidender Bedeutung.
Mehr noch. Beim Aufbau dieses strategisch so wichtigen Bereiches sollten Übergangslösungen vermieden werden. Denn nur selten hat ein Unternehmen die Möglichkeit, auf der »grünen Wiese« Abläufe vollkommen neu zu definieren. Diese Chance sollte man nutzen.