Ein einziges Glasfaserkabel reicht – Mit Open-Access und S/PRI gegen Mehrfachausbau

Autor: Heiko Ziegler

Der Breitbandausbau mit Glasfaser kommt in Deutschland langsam aber sicher in Schwung. In vielen, oft regionalen Projekten entstehen vollständig neue Infrastrukturen, die immer öfter mit einem Glasfaseranschluss im Gebäude enden. Dabei kommt es in manchen Gebieten immer wieder zu gesamtwirtschaftlich betrachtet unsinnigen parallelen Erschließungen durch mehrere Anbieter. Während der Großteil der Bevölkerung noch auf Glasfaser warten muss, verfügen andere Haushalte schon über drei Kabel im Haus. Soll ein erfolgreicher Ausbau in der Fläche gewährleistet sein, sind diese Auswüchse nicht nur hinderlich – sie sind schlichtweg unnötig.

Niemand kann sich ernsthaft vorstellen, dass in einem Gebäude mehrere Anschlüsse konkurrierender Stromnetze nebeneinander liegen. Genau das droht aber in manchen Regionen bei der Erschließung mit Glasfaser. So verständlich der Wunsch nach Präsenz im Kundenhaushalt auch sein mag, so wenig sinnvoll ist die redundante Erschließung von Neubaugebieten oder ganzen Gemeinden durch unterschiedliche Glasfasernetze – sowohl für den Kunden als langfristig betrachtet auch für die Netzbetreiber. Das Marktziel muss eine Versorgung mit Glasfaser in der Fläche sein, möglichst kombiniert mit einer Vielfalt an Providerangeboten, die auf der bestehenden Infrastruktur aufsetzen.

Energiemarkt macht die Richtung deutlich

Hier bietet sich ein Vergleich mit dem Energiemarkt an: Jeder Haushalt ist an das Stromnetz angebunden, der Kunde kann aus einer Vielzahl an Energieanbietern den gewünschten auswählen. Sehr allgemein betrachtet sollte dieses Prinzip auch für den künftigen Breitbandmarkt gelten.

Die notwendigen Investitionen für den Aufbau der neuen Glasfasernetze sind immens und die Amortisationszeiten sehr lang. Das Ziel bei Aufbau eines neuen Netzes muss es sein, möglichst schnell hohe Nutzerzahlen zu erreichen, um die Refinanzierung in möglichst kurzer Zeit zu erwirtschaften. Ein paralleler Netzausbau erschwert dieses Ziel, zumal ein einzelner Haushalt im Normalfall auch nur einen einzigen Anschluss benötigt.

Open-Access forciert schnellere Amortisation

Gleichwohl gilt: Die Existenz mehrerer kundenseitiger Angebote durch verschiedene Provider auf der anderen Seite erhöht ganz allgemein die Wahrscheinlichkeit einer höheren Akzeptanz und Abschlussquote. Die Gründe hierfür liegen einerseits im typischen Verhalten, dass Kunden lieber eine eigene Wahl treffen möchten, als den einzig möglichen Anbieter nehmen zu müssen. Gleichzeitig führt ein Mehrfachangebot immer zu Konkurrenz und Wettbewerb, wodurch attraktivere Angebote mit entsprechenden Kaufanreizen für die angesprochene Kundschaft entstehen. Dieser Wettbewerb führt für den Provider ggf. zu sinkenden Margen je Kunde, für den Netzbetreiber aber wiederum zu einer höheren Auslastung und damit schnelleren Amortisation der Infrastrukturinvestitionen. Selbst für Netzbetreiber, die gleichzeitig Provider sind, sollte dieser Effekt der höheren Anschlussquote die Nachteile sinkender Margen mehr als ausgleichen.

Die Öffnung eines neu errichteten Glasfasernetzes ist hierfür die notwendige Voraussetzung. Ein typisches Open-Access-Szenario für den Netzbetreiber ist dabei, die Glasfaseranschlüsse im eigenen Netz als Bitstream-Access (BSA) anderen Betreibern anzubieten. Alternativen hierzu sind Resale-Anschlüsse, gerne auch als »Whitelabel-Anschluss« bezeichnet.

Im Fall von Bitstream-Access benötigt der abnehmende Provider eine eigene Netzinfrastruktur, um an (mindestens) einer definierten Übergabestelle den ankommenden und abgehenden Datenverkehr der verbundenen Endkundenanschlüsse aufzunehmen bzw. abzugeben. Der Internetdienst wird in diesem Fall vom Provider realisiert.

Im Gegensatz dazu benötigt ein Resale-Provider keine eigene Netzinfrastruktur und auch keinen eigenen Internetdienst, da das Resale-Produkt neben dem Bitstream-Access auch den Internetdienst in einem Bündel zusammenfasst. Der anbietende Netzbetreiber übernimmt also in dieser Variante auch die Erbringung des Internetdienstes. BSA und Resale stellen somit zwei Möglichkeiten mit unterschiedlicher Leistungs- und Wertschöpfungstiefe für einen Netzbetreiber dar, Endkundenanschlüsse über weitere Provider zu vermarkten.

Definition eigener Schnittstellen ist aufwendig

Um die Vermarktung neben der technischen Seite praktisch zu realisieren, muss ein fremder Provider beim Netzbetreiber Anschlüsse bestellen und kündigen können. Nun könnte jeder Netzbetreiber eigene Schnittstellen für die Entgegennahme von Aufträgen aufsetzen und interessierten Providern zur Verfügung stellen, so wie die Telekom es heute mit der WITA-Schnittstelle macht. Allerdings ist einerseits schon die Definition einer solchen Schnittstelle extrem aufwendig und komplex. Gleichzeitig wäre es für interessierte Provider auch kaum realisierbar, zu einer Vielzahl an Netzbetreibern viele verschiedene Order-Schnittstellen zu implementieren.

Der Ausweg aus dieser Problematik ist die Standardisierung zugehöriger Prozesse und Schnittstellen, wie sie vom Arbeitskreis S/PRI bereits seit 2012 vorangetrieben wird. Seit Ende 2014 existiert die aktuelle Fassung der Order-Schnittstelle S/PRI (Version 4), die voraussichtlich ab November 2015 für die Zertifizierung durch teilnehmende Unternehmen freigegeben ist.

Dabei ist die 4. Auflage von S/PRI eine konsequente Weiterentwicklung basierend auf den Praxiserfahrungen der letzten Jahre. Von dieser aktuellen Version verspricht sich der Arbeitskreis S/PRI eine hohe Akzeptanz und einen deutlich breiteren Einsatz in der Branche. Diese Annahme ist vor allem darin begründet, dass nun erstmalig auch Prozesse zum unterbrechungsfreien Anbieterwechsel spezifiziert und damit vorher noch bestehende Prozesslücken geschlossen worden sind.

Eine ebenso wichtige Voraussetzung für die weitere Verbreitung von S/PRI und der damit einhergehenden Standardisierung ist eine entsprechende Nachfrage. Dass diese Nachfrage vorhanden ist und zukünftig weiter steigt, zeigt u. a. das starke Engagement von 1&1 nicht nur innerhalb des Arbeitskreises.

Fazit

Für den Erfolg und die Wirtschaftlichkeit des Glasfaserausbaus in Deutschland gibt es viele Faktoren. Einer davon ist die Vermeidung paralleler Erschließungen, ein zweiter ist Open-Access. Bei entsprechender Akzeptanz wird S/PRI dabei helfen, die Öffnung von Netzen und damit die Vermarktung von Glasfaseranschlüssen zu vereinfachen und so das Ziel einer hohen Anschlussquote in erschlossenen Gebieten zu unterstützen.