Anbieterwechsel 2.0 – Jetzt müssen alle ran

Autor: Jörg Wiesner

Haben bislang die TNBs untereinander den Anbieterwechsel per Fax ausgehandelt, so ändert sich das nun drastisch: Jeder Anbieter von Festnetzanschlüssen muss diese Aufgabe künftig unter Einsatz von WBCI selbst übernehmen.

Und die Uhr tickt: schon in wenigen Monaten macht die Telekom ernst.

Ich bin Reseller. Betrifft mich WBCI trotzdem?

JA, wenn Sie Ihrem Endkunden ortsgebundene Anschlüsse mit Festnetznummern verkaufen und selbst der Vertragspartner sind betrifft sie WBCI. Reine Vertragsvermittler und Anbieter von Preselection hingegen sind nicht betroffen.

Ende September hat die Telekom angekündigt, dass bereits am 01.07.2014 alle Vorabstimmungen für den Anbieterwechsel ausschließlich und ohne Ausnahme direkt mit den Endkundenvertrags-

partnern (EKP) ausgehandelt werden und nicht mehr über den Umweg des jeweiligen Teilnehmernetzbetreibers (TNB). Das bedeutet: Anbieterwechsel von oder zur Telekom bedürfen dann der Abstimmung via WBCI für jeden Netzbetreiber und jeden Reseller. Weitere große Netzbetreiber dürften sich dieser Marschrichtung anschließen, sowohl um den geltenden gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, als auch um interne Kosteneinsparungen durch Prozessoptimierungen zu realisieren.

Auf eine Vielzahl an TK-Resellern kommt somit im neuen Jahr nach SEPA direkt die nächste Herausforderung zu: Einführung der WBCI (WITA Based Carrier Interface). Aber was ist eigentlich WBCI und wo hat sie ihren Ursprung?

Strenge Vorgaben machen Druck

Im Mai 2012 trat die Novelle des Telekommunikationsgesetzes in Kraft. Über §46 TKG ist geregelt, dass im Falle eines Anbieterwechsels die Umschaltung innerhalb eines Tages erfolgen muss. Im Rahmen der Diskussionen zur Umsetzung der gesetzlichen Regelungen wurde in den damit betrauten Arbeitsgruppen festgestellt, dass dieses Ziel nur durch einen frühzeitigen und geordneten Informationsaustausch erreicht werden kann.

Als Konsequenz hat die AG Anbieterwechsel (heute: AK Schnittstellen und Prozesse, Workstream WBCI) in den letzten 18 Monaten die Schnittstelle „WBCI“ inklusive zugehöriger Prozesse entwickelt und spezifiziert. Die beiden in der Arbeitsgruppe vertretenen Firmen 1&1 und QSC haben darüber hinaus ausführliche Tests absolviert und damit die Markttauglichkeit der Schnittstelle bewiesen. WBCI ist somit heute verfügbar und einsatzbereit.

Zertifizierung ist ein Muss

Für viele Anbieter stellt sich nun aber die Frage, wie man WBCI im eigenen Unternehmen überhaupt einführt. Die Implementation besteht sowohl aus der Umsetzung der elektronischen Schnittstelle als auch der zugehörigen Abwicklungsprozesse. Um sicherzustellen, dass die verschiedenen WBCI-Implementierungen untereinander kompatibel sind bzw. sich an die Spezifikation halten, wurde ein Zertifizierungsverfahren eingeführt. Das heißt: Nur zertifizierte Schnittstellenbetreiber bzw. -nutzer dürfen am Austauschverfahren via WBCI überhaupt teilnehmen.

Die Rolle des Zertifizierers übernimmt T-Systems. Unterschieden werden zwei Zertifizierungsebenen: die des Schnittstellenbetreibers und die des Nutzers. Diese Differenzierung trägt der Annahme Rechnung, dass nicht jeder Anbieter eine eigene Implementierung vornehmen wird. Stattdessen werden entsprechend spezialisierte Software-Dienstleister fertige Lösungen anbieten.

Nach aktuellem Stand kostet die Zertifizierung „Schnittstellenbetreiber“ 5.500 EUR und „Nutzer“ 2.000 EUR, wobei die erstgenannte Zertifizierung je WBCI-Major-Release wiederholt werden muss.

Neben der eigentlichen Implementierung von WBCI und zugehöriger Zertifizierung müssen auch die im Einsatz befindlichen Order-Schnittstellen gegenüber den eigenen TNBs geprüft werden. Es ist davon auszugehen, dass in den meisten Fällen durch den Carrier Änderungen an diesen Schnittstellen vorgegeben werden, um übergreifend WBCI-konform zu arbeiten. Es kann allerdings nicht schaden, den jeweiligen TNB frühzeitig darauf anzusprechen, um spätere Überraschungen zu vermeiden.

Kosten im Griff halten

Eine individuelle Umsetzung von WBCI dürfte in den meisten Fällen nicht sinnvoll möglich sein. Dabei wären die Zertifizierungskosten als Schnittstellenbetreiber noch die kleineren Kosten. Vor allem die technische Implementierung der komplexen WBCI-Schnittstelle würde zu nicht unerheblichen Mehraufwänden führen.

Als Alternative steht einerseits „Web WBCI“ von T-Systems zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um eine Web-Applikation, über die eingehende Anbieterwechsel initiiert und Anfragen zu abgehenden beantwortet werden können. Web WBCI ist als Standalone-Lösung konzipiert, d. h. es gibt keine Integration in das eigene kundenführende System. Alle Vorgänge und Daten müssen potenziell doppelt erfasst und verwaltet werden. Auch automatisierte Antworten und weitere Automatismen sind hierüber nicht abbildbar.

Als zweite Möglichkeit kann auf die Dienstleistungen spezialisierter Softwareanbieter zurückgegriffen werden, die entweder eine Softwarelösung für den Eigenbetrieb oder auch ASP-Lösungen im Angebot haben. Der große Vorteil gehosteter ASP-Lösungen liegt darin, dass in diesem Fall der Anbieter selbst die sich wiederholenden Zertifizierungskosten als Schnittstellenbetreiber trägt.

Start ohne große Hürden

Um vor dem Hintergrund des knappen zeitlichen Rahmens möglichst flexibel zu sein, sollte ein ASP-Angebot sowohl über ein Web-Frontend zum schnellen Einstieg verfügen als auch über Integrationsmöglichkeiten / Schnittstellen für das kundenführende System. Auf diese Weise kann der Start mit WBCI ohne große Hürden beginnen und je nach Bedarf schrittweise eine Integration und Automatisierung erfolgen.

FAZIT:

Der standardisierte elektronische Austausch von Informationen für den Anbieterwechsel bietet sowohl Vorteile für den EKP als auch den Kunden. Manuelle Prozesse und Medienbrüche können vermieden und Abstimmungsprobleme somit reduziert werden. Als Folge ist von einer Reduktion der für den Kunden spürbaren Umstellungsprobleme auszugehen.

Die Einführung von WBCI kann allerdings für die betroffenen EKPs zu Problemen führen, wenn man sich nicht früh genug damit auseinander setzt und unvorbereitet damit konfrontiert wird. Durch eine möglichst frühzeitige Beschäftigung mit WBCI kann das vermieden werden.

Weitere Links zu diesem Beitrag:

Funkschau: Anbieterwechsel leicht gemacht

Bundesnetzagentur: Anbieterwechsel

VATM: WBCI – die neue Schnittstelle zur Vorabstimmung eines reibungslosen Anbieterwechsels