Verordnete Transparenz – Heilmittel für Kunden, bittere Medizin für Anbieter

Autor: Alexander Kaczmarek

Im Zuge der Novelle des Telekommunikationsgesetzes 2012 wurden von der Bundesnetzagentur das Informationsverhalten der Anbieter von Telekommunikationsdiensten gegenüber den Verbrauchern analysiert und als unzureichend bewertet. Als Ergebnis dieser Analyse wird in diesem Sommer die Transparenzverordnung erlassen, die sechs Monate später in Kraft treten und sowohl Privat- als auch Geschäftskunden betreffen wird. Was für den Verbraucher als Instrument zur Schaffung von mehr Durchblick gedacht war, kann für den Anbieter von TK-Diensten schnell bedeuten, dass weitreichende Änderungen an den Prozessen sowie den IT-gestützten Systemen bevorstehen. Doch welche Konsequenzen hat die Transparenzverordnung für die Kunden- und Abrechnungsprozesse? Dieser Frage und der zeitlichen Dringlichkeit gehen wir in diesem Artikel nach.

Von den neuen Regelungen der Transparenzverordnung sind beinahe alle Anbieter öffentlicher Telekommunikationsdienste betroffen. Dabei werden vor allem Anbietern bestimmter Datentarife besondere Vorgaben auferlegt.

Alle Anbieter von öffentlichen Telekommunikationsdiensten müssen künftig auf der Endkundenrechnung das Datum des Vertragsbeginns und das Ende der aktuellen Mindestlaufzeit ausweisen (1), sobald die Mindestlaufzeit einen Monat übersteigt. Die wichtigste sich hieraus ableitende Konsequenz ist, dass als Grundlage zunächst der Vertragsbeginn im kundenführenden System (CRM / CustomerCare) bekannt sein muss. Über einen Automatismus sind zusätzlich die Überwachung von Kündigungsfristen und die Berechnung von Vertragsverlängerungen sicherzustellen, um das jeweils aktuelle Laufzeitende je Vertrag systemseitig zu kennen. Nicht zu vernachlässigen ist hier der Aufwand für eine potenzielle Nacherfassung dieser Informationen für Altverträge und eine notwendige Initialisierung der aktuellen Vertragslaufzeiten, falls diese Daten nicht von Beginn an in den kundenführenden Systemen erfasst worden sind. Diese Werte müssen im Billing-System bekannt sein bzw. neben den anderen abrechnungsrelevanten Daten dem rechnungsproduzierenden System übergeben werden.

Neue Regeln zur Informationspflicht

Des Weiteren muss eine Referenz zu allgemeinen Informationen zum Anbieterwechsel auf der Website der Bundesnetzagentur abgedruckt werden. Da es sich hierbei nicht um dynamische Texte handelt und somit eine einmalige Anpassung des Rechnungslayouts ausreichend ist, stellt dies die Anbieter nicht vor allzu große Herausforderungen.

Für Datendienste mit einem beschränkten Datenvolumen enthält die Transparenzverordnung neue Regeln zur Informationspflicht. Dabei gilt ein Datendienst als „beschränkt“, wenn nach Erreichen einer Volumengrenze entweder eine Limitierung der Leistung (Drosselung) vorgenommen wird oder weiterer Volumenverbrauch zusätzliche Kosten zur Folge hat.

Gemäß Transparenzverordnung muss dem Verbraucher in Zukunft eine Information über den tagesaktuellen Datenverbrauch im Kunden-Web-Portal oder einer optional verfügbaren App zur Verfügung gestellt werden. Aus dieser Anforderung ergibt sich somit de facto eine Pflicht zur Bereitstellung eines Online-Kundencenters für alle Anbieter solcher Datendienste. Durch diese Anforderung ist eine Verarbeitung von Datenverbindungen auch dann notwendig, wenn aufgrund einer „Fair-Use-Flat“ eigentlich keine Abrechnungsrelevanz besteht. Netzbetreiber müssen Resellern die Verbrauchsdaten auch zwingend zeitnah zur Verfügung stellen; die Verarbeitung dieser Daten hat mindestens täglich zu erfolgen.

Warnung vor Überschreitung der Volumengrenze

Auf dem mit der monatlichen Rechnung produzierten Einzelverbindungsnachweis muss darüber hinaus neben dem vertraglich vereinbarten Volumen auch das innerhalb der Abrechnungsperiode tatsächlich verbrauchte Volumen mitgeteilt werden.

Um Kunden frühzeitig über das mögliche Überschreiten der Volumengrenze zu informieren, verlangt der Regulierer an dieser Stelle eine aktive Benachrichtigung bei Erreichen von 80 Prozent des vereinbarten Volumens. Diese Benachrichtigung muss für den Verbraucher leicht zugänglich und auf Kundenwunsch abschaltbar gestaltet sein. Es muss somit ein entsprechend automatisierter Überwachungsprozess realisiert werden inkl. Benachrichtigung z. B. via E-Mail oder SMS.

Mobilfunkanbieter im Visier

Weitere Regelungen der Transparenzverordnung betreffen Mobilfunkanbieter. Vorgegeben werden Maßnahmen zur Kostenkontrolle von inländischen mobilen Datentarifen ohne beschränktes Datenvolumen („pay-per-use“), um den Verbraucher vor einer Explosion der Kosten zu schützen. Leitmotiv dieser Regelung sind Kunden, die alte Mobiltelefone durch neue Smartphones ersetzen, bei gleichzeitiger Weiterverwendung bestehender SIM-Karten und somit ohne spezielle Smartphone-Datentarife. Die Kostenkontrolle kann z. B. wiederum über ein Kunden-Web-Portal erfolgen, in dem die aktuellen Einzelverbindungsdaten inkl. der berechneten Verbindungskosten aufgeführt werden. Zusätzlich muss der betroffene Provider eine aktive Überwachung übermäßigen Verbraucherverhaltens implementieren, um den Kunden so vor unerwarteten Kosten zu warnen bzw. zu schützen. Auch hier ist für beide Anforderungen zwingende Voraussetzung die zeitnahe Verarbeitung der Verbrauchsdaten.

Diese beiden genannten Pflichten können entfallen, wenn der Anbieter gegenüber der Bundesnetzagentur anzeigt, dass dem Kunden bei erstmaligem Auftreten solch übermäßiger Kosten diese nicht vollständig in Rechnung gestellt werden, sondern z. B. nur ein Maximum von bis zu 100 EUR. In nachfolgenden Rechnungsperioden würden dem Kunden dann allerdings die tatsächlichen Kosten in Rechnung gestellt werden können.

Fazit:

Unbestritten wird die Transparenz für Endkunden deutlich erhöht, gleichzeitig sind die Konsequenzen für Prozesse und Systeme potenziell weitreichend. Alle Anbieter von Telekommunikationsdiensten müssen frühzeitig, spätestens jedoch nach Verabschiedung der Verordnung im Sommer 2015, ein abteilungsübergreifendes Projekt aufsetzen, um die betroffenen Prozesse und Systeme zeitnah zu identifizieren und Anpassungen planen zu können. Dabei sollten die eigenen Dienstleister wie z. B. der Hersteller des Billing-Systems von Beginn an eingebunden werden, vor allem, um den dortigen Stand zur systemseitigen Unterstützung der Anforderungen durch die Transparenzverordnung abzufragen.

Info: Die Branchenverbände haben den Realisierungsaufwand der Telco-Branche für die Umsetzung der gesamten Transparenzverordnung auf bis zu 100 Mio. EUR beziffert.

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Die hier dargelegten Punkte basieren auf dem im März 2015 aktuellen Entwurf der Transparenzverordnung

(1) Die Frist zur Umsetzung beträgt an dieser Stelle zwölf Monate, wenn direkt mit Inkrafttreten der Verordnung die Daten bereits im Kunden-Web-Portal dargestellt werden.