Zur Person:
Die Diplom-Chemikerin war sieben Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, zuletzt als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Seit September 2015 ist sie Hauptgeschäftsführerin und Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU). Seit Juni 2016 zusätzlich Präsidentin des Europäischen Verbandes der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen (European Centre of Employers and Enterprises providing Public Services, CEEP).
Jörg Wiesner: Frau Reiche, kommunale Unternehmen engagieren sich immer stärker im Breitbandausbau in den Städten und auf dem Land. Welche Position vertritt in dem Zusammenhang der VKU?
Katherina Reiche: Digitale Infrastrukturen gehören für uns genauso zu Daseinsvorsorge wie die Versorgung mit Strom, Wärme oder Wasser. Schnelles Internet gehört heute zur Daseinsvorsorge, es muss für jeden und überall in ausreichender Bandbreite verfügbar sein. Daher sind kommunale Unternehmen seit etlichen Jahren im Breitbandausbau engagiert. Dabei setzen sie vor allem auf Glasfaser. Unsere Mitglieder versorgen mittlerweile über sechs Millionen Kunden mit schnellem Internet. In den nächsten Jahren investieren sie mehr als eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen von Glasfaser bis Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN). Für Stadtwerke ist der eigenwirtschaftliche Ausbau Prämisse, aber der Ausbau kann natürlich nicht überall wirtschaftlich sein. Denken Sie an dünnbesiedelte ländliche Regionen. Da wird es ohne Fördermittel kaum möglich sein. Der Zugang zu hochleistungsfähiger digitaler Infrastruktur ist aber die Voraussetzung für gleichberechtigte Lebensverhältnisse.
Das schließt mit ein, die Kosten für den Breitbandausbau gerecht zu verteilen. Wir begrüßen das Vorhaben des Bundesverkehrsministeriums, das sogenannte DigiNetz-Gesetz zu reformieren. Im Kern geht es darum, dass Wettbewerber bei der Verlegung eines Glasfaserkabels ihr Kabel nicht mehr einfach mit in den Graben verlegen können. Diese Praxis der buchstäblichen »Glasfaser-Piraterie« ist nicht nur unfair, sondern volkswirtschaftlich unvernünftig. An manchen Orten gibt es einen Doppel- oder Überausbau, während es anderswo nur langsames Internet gibt. Kein Kunde will wissen, warum etwas nicht klappt, er will und erwartet zu recht funktionierende Lösungen vor Ort.
Aktuell sind rund 160 kommunale Unternehmen (Quelle: VKU) im Breitbandausbau aktiv, weitere planen den Einstieg. Was glauben Sie, wie wird sich der Telekommunikationsmarkt aufgrund des Engagements Ihrer Mitglieder in den kommenden fünf Jahren verändern?
Wir werden insgesamt mehr Wettbewerb erleben, da bin ich mir sicher. Wettbewerb war und ist ein Kernprinzip unserer Wirtschaftsordnung. Ein ganz klarer Vorteil für Wirtschaft und Bürger.
Die Chancen der Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft für die Lebensqualität der Menschen in den Städten und Gemeinden können wir nur nutzen, wenn die notwendige Infrastruktur steht. Dazu gehört sowohl der Glasfaseranschluss als auch der Ausbau von 5G im Mobilfunk. Unsere Mitglieder setzen zum Sprung an für die nächste digitale Infrastruktur: 5G. Das ist die Grundlage für das Internet der Dinge. Ohne 5G keine Smart Cities und keine Chancengleichheit ländlicher Räume. Dabei können vor allem regionale Anbieter mit dem künftigen Mobilfunkstandard Predictive Maintenance, teilautonomes Fahren, Telemedizin oder passgenaue Firmenlösungen in ihre Region bringen.
Selbstverständlichen müssen diese Dienste auch funktionieren, sobald man den jeweiligen Großraum verlässt. Der automatische Wechsel in das Netz eines anderen Anbieters ist jedoch nicht selbstverständlich. Das erreichen wir nur mit regionalen Frequenzen und einem nationalen Roaming. Eine wichtige Voraussetzung, um den Ausbau im ländlichen Raum zu beschleunigen. Dafür braucht die Branche kluge politische Rahmenbedingungen.
Notwendig sind zum Beispiel bei der anstehenden Frequenzvergabe für 5G nicht nur entsprechende regionale Frequenzen sondern auch Datenhoheit.
Speziell für Neueinsteiger in den Markt gibt es bestimmt einige Herausforderungen zu lösen? Unser Fachbeitrag »Einstieg ins Glasfasergeschäft« beleuchtet beispielsweise die prozesstechnischen Softwareaspekte für die Abwicklung des neuen Geschäftsbereichs. Was gilt es aus Sicht der Stadtwerke zu bedenken?
Damit sich Stadtwerke noch öfter am flächendeckenden Breitbandausbau beteiligen können, ist an der einen oder anderen Stelle des Rechts- und Regulierungsrahmens eine Feinjustierung notwendig. Diskussionen um kommunales und kommunalwirtschaftliches Engagement führen zu Verunsicherungen bei Investitionsentscheidungen. Hier braucht es den politischen Konsens, dass der Breitbandausbau für kommunale Unternehmen in gleicher Weise möglich ist wie für rein privatwirtschaftliche Unternehmen. Erforderlich ist vor allem ein level playing field. Den Einstieg erleichtern natürlich auch Förderprogramme. Immer öfter treten Stadtwerke hier in den Wettbewerb mit anderen Anbietern. Und das mit Erfolg.
Herausforderungen sind die eine Seite, Chancen und Motivation in den TK-Markt einzusteigen die andere. Welche Empfehlungen haben Sie?
Ich empfehle stets offen zu sein für neue Ideen und auch alternative Wege mitzudenken. Beispielsweise sind Kooperationen eine gute Chance, effizienter zu arbeiten und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Damit meine ich nicht nur die Zusammenarbeit von Stadtwerken untereinander, sondern auch Projekte mit externen Partnern. Das macht vor allem dort Sinn, wo aktuell noch Expertise fehlt, beispielsweise beim Einsatz hochkomplexer Technologien.
Frau Reiche, herzlichen Dank für Ihre detaillierten Ausführungen!
ÜBER DEN VKU
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt rund 1.460 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 260.000 Beschäftigten wurden 2017 Umsatzerlöse von knapp 114 Milliarden Euro erwirtschaftet und rund 10 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment große Marktanteile in zentralen Versorgungsbereichen (Strom 60 Prozent, Erdgas 65 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Wärmeversorgung 72 Prozent, Abwasserentsorgung 43 Prozent). Aktuell engagieren sich knapp 160 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau. Sie investieren in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen von Glasfaser bis Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) in den Kommunen und legen damit die Grundlagen für die Gigabitgesellschaft. Schon heute nutzen mehr als 6 Millionen Kunden die Breitbandinfrastrukturen kommunaler Unternehmen.